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Türkei Türkei: Gericht verhängt Nachrichtensperre im «Fall Marco»

28.06.2007, 14:24
Das Foto zeigt den Paragrafen 176 aus dem Strafgesetzbuch zum Sexuellen Missbrauch von Kindern, aufgenommen in einem Hamburger Büro. Der Paragraf 176 des Strafgesetzbuches besagt: «Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.» Dabei spielt es keine Rolle, ob es zum Geschlechtsverkehr kommt oder nicht; dies hat lediglich Einfluss auf die Mindeststrafe. (Foto: dpa)
Das Foto zeigt den Paragrafen 176 aus dem Strafgesetzbuch zum Sexuellen Missbrauch von Kindern, aufgenommen in einem Hamburger Büro. Der Paragraf 176 des Strafgesetzbuches besagt: «Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.» Dabei spielt es keine Rolle, ob es zum Geschlechtsverkehr kommt oder nicht; dies hat lediglich Einfluss auf die Mindeststrafe. (Foto: dpa) dpa

Istanbul/Manchester/dpa. - Die Eltern der 13-Jährigen sagtenam Donnerstag der Hörfunkagentur dpa/Rufa, sie vertrauten auf dietürkische Justiz und sähen keine Veranlassung, mit der Familie desJungen im niedersächsischen Uelzen Kontakt aufzunehmen. Opfer seinicht der 17-jährige Deutsche, sondern das 13 Jahre alte Kind.

Ein Strafkammer im türkischen Antalya verfügte am Donnerstag eineNachrichtensperre für das Gerichtsverfahren gegen den Schüler. DasVerbot gelte auch für die deutschen Kamerateams, die seit Tagen vordem Gefängnis live berichteten, sagte Generalstaatsanwalt OsmanVuraloglu der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu. Vuraloglu hatteden Verbotsantrag bei Gericht gestellt. Er begründete den Schrittdamit, dass die Rechte von Minderjährigen geschützt werden müssten.

Die Familie Marcos meldete sich am Donnerstagabend über ihrenRechtsanwalt Jürgen Schmidt zu Wort: «Die Familie zählt auf einefaire Lösung der unglücklichen Situation und hat Respekt undVertrauen in die türkische Justiz», hieß es in einer Faxmitteilung.Die Familie danke für die Anteilnahme am Schicksal des 17-Jährigen,wolle aber vorerst keinerlei weitere Stellungnahme abgeben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) riet zu «Behutsamkeit undRuhe». «Es ist ja bekannt, dass wir auf allen Ebenen, die notwendigsind, mit den türkischen Behörden in Kontakt sind», sagte Merkel amDonnerstag in Berlin. Das Auswärtige Amt tue dies in ganzhervorragender Weise. «Unser ganzes Ziel sollte sein, dem Jungen zuhelfen, so gut das möglich ist.»

Die Jugendlichen hatten sich in der Disco kennen gelernt. Danachwar Marco im Hotelzimmer der jungen Engländerin gelandet. Während ervon gemeinsamen Zärtlichkeiten spricht, wirft sie ihm sexuelleBelästigung vor. Nach einer Anzeige der britischen Eltern sitzt Marcoseit April in Antalya in Untersuchungshaft.

Die britische Familie hat inzwischen die Polizei eingeschaltet, umdas Mädchen auch auf dem Schulweg vor Reportern zu schützen. «DasHaus steht unter Polizeischutz», sagte eine Sprecherin der Polizei inManchester. Die Familie habe die Polizei kontaktiert, weil sie vonden Medien belagert werde. «Es gab Belästigungen vor allem von derdeutschen Presse.» Bisher habe der Fall in Großbritannien keine großeAufmerksamkeit erregt. Zu der Haft des deutschen Jungen in der Türkeisagte die Sprecherin lediglich: «Das Mädchen hat britischenRechtsschutz, und es soll sexuell belästigt worden sein.»

Der Sprecher der britischen Familie, Shaun Robinson, sagte demFernsehsender RTL: «Was ich Ihnen vor der Kamera sagen kann, ist, dasErlebnis in der Türkei war grauenhaft. Die Familie wünscht, jetzt inRuhe gelassen zu werden, um die Tortur verarbeiten zu können.» Nachdem Urteil werde sich die Familie dann selbst äußern.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Berichterstattung deutscherMedien und die Anwesenheit der Kamerateams vor dem Gefängnis als«versuchte Beeinflussung» der türkischen Justiz heftig kritisiert.Als «Taktlosigkeit» bezeichnete Vuraloglu nach Angaben türkischerMedien zudem den Anruf von Bundesaußenminister Frank-WalterSteinmeier (SPD), in dem sich dieser bei seinem türkischen KollegenAbdullah Gül um eine Freilassung des Schülers bemüht hatte.

Auch die SPD sprach sich für eine rasche Heimkehr von Marco aus.Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, DieterWiefelspütz sagte der Berliner Tageszeitung «B.Z.» (Freitag): «Es istrichtig, dass sich deutsche Staatsorgane um deutsche Staatsbürgerkümmern. Es geht nicht um eine Beurteilung vorab, sondern darum, denFall vorurteilsfrei nach Deutschland zu holen.» Der außenpolitischeSprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckard von Klaeden (CDU),warnte vor politischem Druck auf die türkische Justiz. «ÖffentlicherDruck auf Staatsanwälte und auf Richter führt nur dazu, dass die denEindruck gewinnen, ihre Unabhängigkeit wird in Frage gestellt», sagteVon Klaeden dem Fernsehsender N24.