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Türkei Türkei: Alkohol-Panscher nach tödlicher Klassenfahrt vor Gericht

24.01.2010, 15:50

Istanbul/dpa. - In Antalya müssen sich von Dienstagan Mitglieder einer Schwarzhändler-Bande sowie führende Mitarbeiterdes Hotels Anatolia Beach in Kemer wegen Totschlags und versuchtenTotschlags verantworten. Inzwischen wurde bekannt, dass die Polizeidie Schwarzhändler schon mehrfach ertappt hatte. Bei einemkonsequenteren Vorgehen der türkischen Behörden hätte der Tod derdrei Männer aus Lübeck wohl verhindert werden können.

Die türkische Riviera ist bei vielen Deutschen beliebt. DieGastfreundschaft der Türken verbunden mit sehr günstigen Angebotenziehen junge Leuten aus ganz Europa an die Mittelmeerküste. «Urlaubohne Nebenkosten», «All-Inclusive-Urlaub in der Türkei heißt günstigFerien machen» oder «Rundum versorgt» lauten die Werbesprüche. Beimanchen Komplett-Angeboten, bei denen es zudem noch Alkohol ohneLimit geben soll, reicht der Griff zum Taschenrechner um zu merken,dass hier etwas nicht stimmen kann. Immer mehr für immer weniger Geld- das hat auch die Tourismus-Branche erheblich unter Druck gesetzt.

Das türkische Unternehmen Germiyan Alkollü Icecekler verkaufte denHoteliers und Gastwirten billigen Fusel, damit sie ihn an dieTouristen ausschenken können. Schon im Jahr 2007 muss sich derMitinhaber Cengiz Emmez, der nun in Antalya als einer von 13Angeklagten vor Gericht steht, wegen eines Vergiftungsfallsverantworten. Bei ihm und seinem Bruder seien 1488 Flaschen Whiskyund 1248 Flaschen Cognac sowie leere Flaschen und Rohmaterialienbeschlagnahmt worden, berichten türkische Medien.

Der Firma wird die Handelslizenz für Alkohol entzogen. Die BrüderEmmez, so Zeitungen, hätten das Unternehmen dann an ihre Ehefrauenüberschrieben. Die Frauen erhielten eine neue Lizenz. Das Spiel gingmunter weiter. Nur etwa einen Monat vor dem Tod der Lübecker habe diePolizei beobachtet, wie die Brüder in einem Wagen mit dem Kennzeichen«34 RT 651» insgesamt 684 gefälschte Schnapsflaschen an ein Hotelauslieferten. Diese Flaschen wurden beschlagnahmt.

Doch blieben andere Getränke im Verkehr, so die Ermittlungen. Auchim Hotel Anatolia Beach, wo im März 2009 die LübeckerBerufsschülergruppe auf Klassenfahrt abstieg. Ein 21-jährigerDeutscher starb noch in der Türkei an einer Methanolvergiftung. Seine19 und 17 Jahre alten Klassenkameraden wurden nach Deutschlandgebracht und lagen insgesamt zwölf Tage lang im Koma, bevor Ärzte inder Lübecker Uniklinik den Hirntod der jungen Männer feststellten.

In den Tagen nach dem tödlichen Zwischenfall begann das Hotel einVerwirrspiel. Der Schülergruppe wurde vorgeworfen, sich sinnlosbetrunken und dabei womöglich auch giftiges Parfüm zu sich genommenzu haben. Auch über illegale Drogen wurde berichtet. Dann hieß es,der giftige Alkohol sei irgendwo in der Stadt beschafft worden.Reflexartig vermuteten Teile der türkischen Presse eine deutscheKampagne.

Voreilig sprach ein Krankenhausdirektor in Antalya das Hotel vonSchuld frei. «Der Tote wurde mit mehr als sieben Promilleeingeliefert. Bei den anderen war es weniger», sagte Irfan Erdogan am30. März 2009. «Das zeigt uns, dass hier nicht gepanschter Alkoholdas Problem war.»

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) obduzierte denLeichnam und stellte mit zwei Promille das Zehnfache der tödlichenDosis an giftigem Methanol fest. Der Trinkalkohol Ethanol konntehingegen nicht nachgewiesen werden. Bei einer frühzeitigen Diagnosehätte dem Schüler wohl noch geholfen werden können, erläuterteProfessor Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin amUKE. Nun begannen auch in der Türkei demonstrativ Razzien und derEinsatz neuer Fahndungsgruppen gegen den Schwarzhandel mit Alkohol.

«Die Frage ist, ob die Schüler hätten gerettet werden können»,sagt der Lübecker Rechtsanwalt Frank-Eckhard Brand, der zusammen miteiner türkischen Anwältin die Familien der Opfer vertritt. «Es wurdengezielte Falschinformationen gegeben», kritisiert er. AuchSchadensersatzansprüche würden nun geprüft.