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Tourismus Tourismus: Kerze im Iglu bringt vier Grad

21.02.2003, 08:44
Sabine Koldeweyh (l) und Peter Antus. (Foto: dpa)
Sabine Koldeweyh (l) und Peter Antus. (Foto: dpa) dpa

Pfronten/dpa. - Mit wuchtigen Schwüngen durchdringt die Säge den Schnee. Seit mehr als drei Stunden schneidet Frank Koldeweyh mit einer grobzahnigen Aluminiumsäge quaderförmige Eisbrocken aus einem «Schneebruch» auf dem Breitenberg nahe Pfronten. Baumaterial für drei Iglus. In einem davon will der Tourist aus dem nordrhein- westfälischen Erkelenz mit seiner Frau Sabine übernachten. Zusammen mit zehn anderen Urlaubern nimmt das Paar an einem «Eskimo- Wochenende» teil. «Achtet darauf, dass die Steine ungefähr die gleiche Größe haben», ruft Bergführer Wolfgang Mayr den drei «Sägern» zu.

Es schneit, Nebel begrenzt die Sicht auf nur wenige Meter und durch den Höhenwind fühlt sich die Kälte auf der Haut noch um einige Grad eisiger an. Für die motivierten Teilnehmer ist es das erste Mal, dass sie ein Iglu bauen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit sollen die Schneehäuser auf einem Plateau auf der Südseite des Breitenbergs in rund 1700 Meter Höhe stehen. «Sonst wird es schwierig», sagt Bergführer Wolfgang Mayr, der im Iglu steht und die Schneebrocken kreisförmig um sich setzt. Mehrmals im Jahr bieten die Mitglieder von Altissimo, einem Zusammenschluss staatlich geprüfter Allgäuer Bergführer, Eskimo-Wochenenden an.

Anfänglich wachsen die Wände der Iglus schnell in die Höhe. Nach mehreren Stunden Sägen und Tragen der bis zu rund zehn Kilo schweren Schneequader machen sich bei den verschwitzten Teilnehmern Ermüdungserscheinungen bemerkbar und die Pausen werden länger. Warmer Tee, Hartwurst, Allgäuer Käse und selbst gebackenes Brot machen die Runde, neue Energie für die Häuslebauer. Bald ragen nur noch die Köpfe von Wolfgang Mayr und Reiner Blöchl aus einem kleinen Kreis aus dem Iglu hervor. «Jetzt kommt der schwierigste Teil, das Dach», sagt Bergführer Blöchl.

Wenige Meter nebenan verfolgen die Brüder Peter, Michael, Niki und Martin Antus aufmerksam die Arbeiten am Nachbar-Iglu. Das Quartet arbeitet an einem eigenen Schneehaus und steht ebenfalls kurz vor der Vollendung. «Erst einen Brocken rausheben, dann einen Zweiten und schließlich beide langsam ins Loch ins Dach fallen lassen», dringt die Stimme von Mayr dumpf aus dem Iglu-Inneren. Fertig. Der erste Iglu ist einzugsbereit. Kurze Zeit später graben sich Mayr und Blöchl von innen einen Eingang.

Im Iglu-Inneren scheint das Tageslicht blau-grün durch die Ritzen. Plasikfolie, Isomatte und Schlafsack: Bevor es endgültig dunkel wird, richten sich die Teilnehmer in ihren Quartieren ein. Georg Pogodda aus Weiler bei Lindau hat sich ein kleines Schneeregal gebaut, Ablageflächen für Thermoskanne, Schuhe und eine Kerze. «Eine Kerze reicht, um im Iglu für eine Wärme von vier Grad zu sorgen, egal, wie kalt es draußen ist», sagt Mayr. In einer nahe gelegenen Berghütte wärmen sich die Teilnehmer noch einmal für die Nacht auf und wechseln die feuchte Kleidung. «Wenn ein Iglu nicht fertig geworden wäre, wäre die Hütte unsere Notunterkunft gewesen», berichtet Blöchl.

Am nächsten Morgen sind die Iglus eingeschneit. Jetzt zeigt sich erstmals die Sonne und wärmt die Frühaufsteher, die sich ihren Weg ins Freie graben müssen. Frank und Sabine Koldewey fanden die Nacht «klasse». «Ein wenig kühl war es schon», sagt Pogodda. «Aber in jedem Fall eine Erfahrung wert.» Der 55-Jährige will das Gelernte künftig auch beruflich einsetzen: «Als Leiter eines Kinderheims werde ich wahrscheinlich noch mehr Iglus bauen.»