Tödliche Schüsse auf Freundin Tödliche Schüsse auf Freundin: Mordverdacht gegen Paralympics-Star Pistorius

Kapstadt/MZ - Die Sportwelt ist erschüttert, wie wohl seit der spektakulären Verhaftung des mordverdächtigen American-Football-Stars O.J. Simpson im Jahr 1994 nicht mehr. Gestern wurde der Paralympics-Star Oscar Pistorius in Handschellen aus seinem Haus in Pretoria geführt. Der Leichtathlet stieg, die Kapuze seiner Trainingsjacke tief ins Gesicht gezogen, in den Polizeiwagen. Der Star suchte Deckung vor den Kameras, deren Nähe er so oft gesucht hatte. Wenige Stunden zuvor, gegen vier Uhr morgens, hatte der 26-Jährige seine Freundin erschossen. Das Model Reeva Steenkamp (30) wurde von vier Schüssen in Oberkörper und Kopf getroffen.
Steenkamp, die in Südafrika bereits auf dem Cover des Lifestyle-Magazins FHM posierte, arbeitete auch als TV-Moderatorin. Steenkamp und Pistorius waren seit einigen Monaten ein Paar. Südafrikanische Medien spekulierten, sie habe ihn in der Nacht zum Valentinstag überraschen wollen und Pistorius habe sie für einen Einbrecher gehalten. Das Model hatte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter wenige Stunden vor ihrem Tod gefragt: „Was habt Ihr für Euren Liebsten morgen vor???“
Doch Polizeisprecherin Denise Beukes bestätigte diesen Hergang nicht. Die Anklage laute auf Mord. Die Polizei habe Zeugenaussagen, denen zufolge „es im Haus Schreie gegeben hat“, sagte Beukes. Außer der Verstorbenen und dem Verdächtigen habe es nach dem derzeitigen Stand keine Zeugen am Tatort gegeben. Nebulös erwähnte sie auch „Zwischenfälle häuslicher Art“, die es in der Vergangenheit in Pistorius Haus gegeben habe. Diese Andeutung überrascht, denn entsprechende Vorwürfe gegen den Sportler sind bislang nicht bekannt, auch wenn sein extrovertierter Lebensstil bisweilen für Schlagzeilen sorgte: Der Liebhaber schneller Sportwagen hatte einen Bootsunfall, bei dem Alkohol im Spiel war. Eine Ex-Freundin warf ihm öffentlich Untreue vor und im vergangenen Jahr drohte Pistorius, einem Nebenbuhler die Beine zu brechen. Seinem Image als Vorkämpfer für Toleranz und Willenskraft vermochte das kaum zu schaden. Nicht nur in Südafrika gilt er als Star, seit er sich juristisch das Recht erkämpfte, als beinamputierter Sportler bei Olympischen Spielen antreten zu dürfen, die Kluft zwischen behinderten und nicht-behinderten Sportlern einriss.
Pistorius wird dem Haftrichter vorgeführt. Dann geht es um mehr als seinen Ruf. Es geht um sein Leben. Und das, welches er ausgelöscht hat. Er wird vor Gericht viele Fragen beantworten müssen. Sein Haus befindet sich in einem ummauerten Sicherheitskomplex. In solche Anlagen haben sich wohlhabende Südafrikaner zum Schutz vor der hohen Kriminalität zurückgezogen. Pistorius hatte dennoch eine Pistole.
Während Pistorius seine sportlichen Erfolge errang und bei den Paralympics die Einschaltquoten immer weiter stiegen, hatte der Mann mit dem leicht zu vermarktenden Lächeln über ein Dutzend Sponsoren gewonnen. Der Sportler wird international im großen Stil vermarktet, im Dezember trat er in einem Rennen gegen ein Pferd an. Immer wieder gab es Gerüchte, dass sich Filmproduzenten aus Hollywood für die Verfilmung seiner Geschichte interessieren würden. Pistorius hat die Dimension seiner Karriere einst selbst auf den Punkt gebracht: „Ich schreibe Geschichte.“ Sie hat nun eine jähe Wendung genommen.