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Tier-Posse Tier-Posse: Bruno passte nicht nach Bayern

19.06.2007, 07:08
Der Braunbär «JJ1» alias Bruno als Plüschtier, wie er von Schildkröt (Rauenstein, Thüringen) produziert wird. (Foto: dpa)
Der Braunbär «JJ1» alias Bruno als Plüschtier, wie er von Schildkröt (Rauenstein, Thüringen) produziert wird. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Schliersee/dpa. - ZweiSchüsse brachten ihn nahe der Kümpflalm im oberbayerischenSpitzingseegebiet zur Strecke. Die Nachricht vom Tod des jungen Bärenaus dem italienischen Trentino ging wie ein Lauffeuer um die Welt,schon kurz nach dem Abschuss waren internationale Medien mitausführlichen Berichten online.

«Bruno» war der Medienstar des vergangenen Sommers - er topptebeinahe die Fußballweltmeisterschaft. Sogar sein Obduktionsberichtmit Gewicht, Größe und Mageninhalt wurde veröffentlicht - das Herzdes zotteligen Herzensbrechers wog demnach 830 Gramm.

Mit seinen Eskapaden hatte der Bär - Erstgeborener von Mutter Jurkaund Vater José - alle Sympathien auf sich gezogen. Im Internet wurdenWetten auf ihn abgeschlossen und Solidaritäts-T-Shirts mit Aufdruckenwie «JJ Guevara» oder «Mich kriegt ihr nie» angeboten. Seelenruhiglegte «Bruno» unter den Augen von Kneipengästen vor einerPolizeiwache eine Rast ein - um sich dann aus dem Staub zu machen,bevor die für mehrere zehntausend Euro aus Finnland eingeflogenenBärenjäger mit ihren Hunden auftauchten. Während die BehördenExpertenrunden einberiefen und Pressekonferenzen gaben, marschierteBruno mitten durch Ferienorte. Er erschreckte Urlauber, verspeisteSchafe und Hühner, knackte Bienenstöcke - und kam immer wiederungestraft davon. So frech Brunos Verhalten wirkte: Tatsächlich liefer wohl immer wieder um sein Leben.

«Er war der Mahatma Gandhi der bayerischen Wälder. Ein Bär, derhöchstens für ein Schafsherz vom Weg der vegetarischen Tugend abkam»,schrieben Fans nach seinem Tod im Internet. «Der einsame Braunbär"JJ1" ließ den Staat mit all seinen Polizeihubschraubern undfinnischen Jagdsöldnern machtlos zurück.» Und: «Er wurde zum Symbolder Freiheit, zum letzten Einzelkämpfer, der durch die engen Maschenunseres Staates schlüpfen konnte.»

Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) bekam nach dem AbschussMorddrohungen. Der Tod des Bären «belastet mich sehr», sagte derMinister damals. «Aber hätte die Politik warten sollen, bis jemand zuTode kommt?» Es sei nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte derBär ein Kind angefallen. Bärenexperten hatten für den Abschussplädiert, weil der Bär die Scheu vor Menschen verloren hatte unddamit zur Gefahr geworden war. «Er war von Anfang an ein Sonderling»,sagte damals der Tiroler Landesrat Anton Steixner. Naturschützerhatten dennoch verlangt, die Fangversuche fortzusetzen.

Noch lange nach seinem Tod schlug Brunos Tod Wellen. Unter anderemverlangte die Regierung in Rom die Rückgabe des Kadavers. Bruno habezum Wiedereingliederungsprojekt in der Adamello-Brenta-Gruppe gehörtund sei somit Eigentum des italienischen Staates. Doch Schnappauflehnte ab, die Medien bis hin zur BBC berichteten von diplomatischenVerwicklungen wegen des toten Tieres.

Bis heute liegt Bruno tiefgefroren in einer Kühlkammer - der Ortist unbekannt. «Paparazzi» müssen wohl versucht habe, an den Kadaverheranzukommen, jedenfalls war Bruno aus der Veterinärmedizin derUniversität an einen geheimen Ort gebracht worden. Bis zum Herbstsoll er präpariert und ausgestopft werden, um dann wissenschaftlichfundiert in einem Museum gezeigt zu werden. «Er soll kein Schaustückwerden», sagt der Sprecher des Umweltministeriums, Roland Eichhorn.

Nicht ausgeschlossen, dass schon bald wieder ein Bär seine Tatzenauf bayerischen Boden setzt - vielleicht sogar ein Bruder Brunos. Vorkurzem haben sich seine jüngeren Geschwister JJ3, JJ4 und JJ5 vonMutter Jurka getrennt, und die beiden männlichen Jungbären sind aufWanderschaft. Ein junger Bär ist derzeit in Graubünden in der Schweizunterwegs. «Man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich einTrentiner Bär ist», sagt Eichhorn. In Bayern sieht man sich für einenneuen Zuwanderer gut gerüstet - allerdings: Sollte er sich ähnlichbenehmen wie Bruno, ist als letztes Mittel ein Abschuss nichtausgeschlossen. So sieht es auch der neue Bärenplan vor.

Der Weg Brunos bis zu seinem Abschuss (Grafik: dpa)
Der Weg Brunos bis zu seinem Abschuss (Grafik: dpa)
dpa