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Thomas Südhof Thomas Südhof: Nobelpreis für Medizin geht an Deutschen

07.10.2013, 10:04
Thomas Südhof (l.) und James Rothman bei einer Veranstaltung in Oslo. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Randy Schekman bekommen die drei Forscher den Medizin-Nobelpreis.
Thomas Südhof (l.) und James Rothman bei einer Veranstaltung in Oslo. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Randy Schekman bekommen die drei Forscher den Medizin-Nobelpreis. dpa Lizenz

Stockholm/dpa - Er ist nicht zu Hause geblieben und hat auf den Anruf aus Stockholm gewartet. Dass er den Medizin-Nobelpreis erhält, erfuhr der Neurowissenschaftler Thomas Südhof (57) auf dem Weg zu einem Zellbiologie-Kongress in Andalusien. „Wir sind alle außer uns“, sagt Nils Brose, Direktor am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin, der mit Südhof in Dallas und Göttingen zusammengearbeitet hat.

Schon länger als Aspirant für den wichtigsten Wissenschaftspreis

In Fachkreisen galt der vielfach ausgezeichnete Biochemiker und Neurobiologe schon länger als Aspirant für den wichtigsten Wissenschaftspreis weltweit. Südhof habe als erster erkannt, welche methodischen Ansätze nötig sind, um die Synapsen zu verstehen, sagt Brose. In seinem Labor an der renommierten Stanford Universität in Kalifornien erforscht der gebürtige Niedersachse unter anderem die molekularen Grundlagen von Krankheiten wie Alzheimer oder Autismus.

Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand.

Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Frankreich) für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems. Ralph Steinman aus Kanada entdeckte Zellen, die das erworbene Immunsystem aktivieren. Er war kurz vor der Verkündung gestorben und bekam den Preis posthum.

Der Brite Robert Edwards für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung.

Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (alle USA) für die Erforschung der Zellalterung.

Harald zur Hausen (Deutschland) für die Entdeckung der Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, sowie die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des Aidserregers HIV.

Mario R. Capecchi, Oliver Smithies (beide USA) und Sir Martin J. Evans (Großbritannien) für eine genetische Technik, um Versuchsmäuse mit menschlichen Krankheiten zu schaffen.

Die US-Forscher Andrew Z. Fire und Craig C. Mello für eine Technik, mit der sich Gene gezielt stumm schalten lassen.

Barry J. Marshall und J. Robin Warren (beide Australien) für die Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori und dessen Rolle bei der Entstehung von Magengeschwüren.

Richard Axel und Linda Buck (beide USA) für die detailgenaue Enträtselung des Geruchssinns.

Paul C. Lauterbur (USA) und Sir Peter Mansfield (Großbritannien) für ihre wesentlichen Beiträge zur Anwendung der Kernspintomographie in der Medizin als neuartiges und schonendes Diagnoseverfahren.

Südhof wuchs in Göttingen und Hannover auf, in Hannover machte er an der Waldorfschule 1975 Abitur. Er habe sich als Schüler für sehr viele Fächer interessiert, mit Ausnahme von Sport, beschreibt der Spitzenforscher in einer kurzen Autobiografie, die 2010 anlässlich der Verleihung des norwegischen Kavli-Preises veröffentlicht wurde. Der Sohn zweier Ärzte studierte in Göttingen Medizin und forschte für seine Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für physikalische Chemie. Bereits 1983 zog er in die USA und arbeitete in Texas im Labor von Michael Brown and Joseph Goldstein, die 1985 den Nobelpreis bekamen.

Von 1995 bis 1998 kehrte der Wissenschaftler in seine Heimat zurück und baute am Göttinger Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin ein Labor auf. Sein Lebensmittelpunkt blieb aber Amerika. Nach Meinungsverschiedenheiten mit der neuen Führung der Max-Planck-Gesellschaft sah Südhof seine berufliche Zukunft dann doch wieder in den USA, wie er 2010 schrieb. Die wissenschaftlichen Bande zu den Göttinger Kollegen habe er aber nie verloren, erklärten die niedersächsischen Forschungsinstitute am Montag.

Der in Russland geborene US-Bürger Leonid Hurwicz gewann 2007 die Wirtschaftsauszeichnung - er war 90 und damit älter als jeder andere bisherige Preisträger. Hurwicz starb nur wenige Monate nach seinem späten Triumph. Die britische Autorin Doris Lessing setzte 2007 einen neuen Altersrekord beim Literaturnobelpreis. Sie war 87 Jahre alt, als sie mit der Auszeichnung geehrt wurde.

Erst 25 Jahre alt war der Brite Lawrence Bragg, als er 1915 den Physiknobelpreis zugesprochen bekam. Dieses Alter wurde bislang nicht unterboten. Der Brite Rudyard Kipling erhielt 1907 als bislang jüngster Mensch mit 42 Jahren den Literaturpreis.

Der Altersdurchschnitt aller Preisträger in sämtlichen Kategorien von 1901 bis 2012 ist 59 Jahre.

Bislang knapp 800 Mal Männer, aber nur 44 Mal Frauen ausgezeichnet - darunter Marie Curie als einzige Frau zweimal. Der Wirtschaftsnobelpreis ging bisher nur einmal nicht an einen Mann: 2009 gewann Elinor Ostrom aus den USA. Der Physikpreis ging bisher an 191 Männer und zwei Frauen.

Unter den bisherigen Preisträgern sind sechs Väter und Söhne sowie ein Vater-Tochter- und ein Mutter-Tochter-Paar. Auch drei Ehepaare wurden schon mit Nobelpreisen bedacht. Im Zentrum steht dabei die Familie Curie: Das Ehepaar Pierre und Marie erhielt 1903 den Physiknobelpreis, Marie Curie wurde zudem 1911 in Chemie geehrt. Die gemeinsame Tochter Irène Joliot-Curie und ihr Ehemann Frédéric Joliot erhielten den Chemiepreis 1935.

Die Träger des Literaturnobelpreises schrieben am häufigsten auf Englisch (26 Ausgezeichnete). Die zweithäufigsten Sprachen waren Französisch und Deutsch (jeweils 13 Preisträger).

Sechs Mal ist es bislang vorgekommen, dass Preisträger die Annahme der Auszeichnung verweigerten. Der Franzose Jean-Paul Sartre lehnte 1964 den Literaturnobelpreis ab, der damalige vietnamesische Ministerpräsident Le Duc Tho wies 1973 den Friedensnobelpreis zurück, weil er ihn nicht mit US-Außenminister Henry Kissinger teilen wollte. In den übrigen Fällen geschah die Verweigerung nicht freiwillig: Die Nazis zwangen Richard Kuhn (Chemie, 1938), Adolf Butenandt (Chemie, 1939) und Gerhard Domagk (Medizin, 1939) zur Ablehnung. 1958 sorgten die sowjetischen Behörden dafür, das Boris Pasternak den Literaturnobelpreis nicht annahm.

Drei Träger des Friedensnobelpreises waren bei Bekanntgabe ihrer Auszeichnung inhaftiert: der deutsche Pazifist und Journalist Carl von Ossietzky 1935, die birmanische Oppositionelle Aung San Suu Kyi 1991 und der chinesische Dissident Liu Xiabao 2010.

In diesem Jahr wurden 259 Nominierungen für den Friedensnobelpreis eingereicht - so viele wie noch nie. Empfohlen wurden für die Auszeichnung 209 einzelne Menschen und 50 Organisationen. Die Namen der Nominierten, die nicht gewinnen, bleiben 50 Jahre unter Verschluss.

Südhof begann als Biochemiker, er ist Zellbiologe, Genforscher, Physiologe und Hirnforscher. Nils Brose ist schon lange von der akribischen Arbeitsweise des Medizin-Nobelpreisträgers beeindruckt. So kenne der 57-Jährige beispielsweise die Projekte der Doktoranden in seinem Labor in- und auswendig. „Er hat ein außerordentliches Gedächtnis. Das habe ich sonst noch nirgendwo gesehen.“

Die traditionsreiche Studentenstadt in Südniedersachsen bietet offenbar einen guten Nährboden für künftige Spitzenforscher. Thomas Südhof ist nach Hochschulangaben der 45. Nobelpreisträger, dessen wissenschaftliche Laufbahn mit der Universität Göttingen verknüpft ist.