Kulturprotest Theater besetzt: Protest gegen Kultur- und Sozialabbau
Als Kulturhauptstadt Europas genießt Chemnitz derzeit überregional Aufmerksamkeit. Am Wochenende haben Aktivisten das Schauspielhaus besetzt. Was sind die Gründe?

Chemnitz - Aus Protest gegen Kultur- und Sozialabbau haben Aktivisten am Wochenende das Chemnitzer Schauspielhaus besetzt. Mit der Aktion forderten sie zugleich den Erhalt des markanten Gebäudes aus dem Jahr 1980. Stadt- und Theaterleitung ließen die Protestierer gewähren.
Die „friedliche Performance“ des Aktionsbündnisses verschaffe der Kultur in Chemnitz eine neue junge Stimme, sagte Generalintendant Christoph Dittrich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Die Polizei sprach von etwa 20 Personen, die am Freitagabend das leerstehende Gebäude besetzt hätten. Übers Wochenende luden sie ein zu Veranstaltungen und Gesprächen, darunter ein Konzert mit der Dresdner Brassband „Banda Communale“ und eine Kundgebung am Sonntag.
An den Aktionen hätten sich übers Wochenende hinweg mehrere Hundert Menschen beteiligt, sagte ein Vertreter der Gruppe auf dpa-Anfrage. Die Aktivisten gehörten zur Chemnitzer Kulturszene.
„C the Closed“ - Erhalt des Schauspielhauses gefordert
Chemnitz ist dieses Jahr Kulturhauptstadt Europas. In Anlehnung an das Kulturhauptstadtmotto „C the Unseen“ („Sieh das Ungesehene“/„Chemnitz die Ungesehene“) haben die Protestierer ihre Aktion „C the Closed“ („Sieh das Geschlossene“) genannt. Sie soll ein Zeichen setzen gegen Sparmaßnahmen von Bund, Land und Kommunen im Sozialen und in der Kultur.
Was heute gespart werde, koste die Zukunft, hieß es in einer Mitteilung. „Wir müssen uns die Frage stellen, wer wir in Zukunft sein möchten; denn wir befinden uns an einem entscheidenden Wendepunkt, an dem festgelegt wird, wer wir sein werden.“
Zugleich macht sich die Gruppe für den Erhalt des Schauspielhauses stark. Das Gebäude war 1980 eröffnet worden, nachdem der Vorgängerbau einem Feuer zum Opfer gefallen war. Es sollte eigentlich für 16 Millionen Euro auf Vordermann gebracht werden. Laut Stadt würde die Modernisierung inzwischen weitaus teurer, so dass Alternativen geprüft werden.
Die Schauspielsparte und das Figurentheater des Chemnitzer Theaters arbeiten derzeit in einem Ausweichquartier. Chemnitz ist nächstes Jahr Gastgeber des internationalen Festivals „Theater der Welt“.
Dittrich: Kultur und soziales Engagement sind Kitt der Gesellschaft
Meinungs- und Willensbildung zu erleben, manchmal auszuhalten und vor allem für die Zukunft zu nutzen, sei von großer Bedeutung, sagte Intendant Dittrich. Besonders im Kulturhauptstadtjahr zeige sich, wie wichtig und wirkungsvoll das Engagement für Kultur sei.
„Wir schätzen sehr, dass die Aktion absolut friedlich, kreativ und ohne Zerstörung abläuft und sich darin ein großes Engagement für Kultur zeigt.“ Erfreulich sei auch, dass die Ordnungskräfte der Stadt und der Polizei besonnen und im Sinne der Meinungsvielfalt reagiert hätten.
„Kultur und soziales Engagement sind der Kitt unserer Gesellschaft – gerade dann, wenn Wünschenswertes und Machbares auseinanderliegen oder einfach mehr Zeit brauchen“, sagte Dittrich.
Das Feedback sei immens gewesen, konstatierte ein Sprecher der Gruppe. Doch vermisse er eine politische Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Themen und Forderungen seitens der Stadtspitze. Die Besetzer wollen seinen Worten nach vorerst noch über Nacht im Schauspielhaus ausharren und am Montagmorgen entscheiden, wie sie weiter vorgehen.