Straßenverkehr Straßenverkehr: Erste Fahrschule in Deutschland öffnete vor 100 Jahren

Aschaffenburg/dpa. - Nur mit ein paar Tipps des Verkäufersausgestattet und ohne einen einzige Fahrstunde wurden die erstenAutofahrer einst auf Wege und Straßen losgelassen. Weil das nichtlange gut ging, wollte der Architekt Rudolf Kempf dem zunehmend«unbesonnenen Lenken der Automobile» Einhalt gebieten und ersann einehistorische Unternehmensgründung: Im November 1904 eröffnete Kempf inAschaffenburg die «Erste deutsche Autolenkerschule».
In den Satzungen wurde der Fahrschule der Zweck zugeschrieben,«unbescholtene Männer zu Motorfahrzeuglenkern auszubilden, sie durchtheoretischen und praktischen Unterricht mit allen Systemen vonMotorfahrzeugen bekannt und vertraut zu machen». Die Schule war Teildes «Kempf'schen Privat-Technikums», das eigentlich Maschinenbauer,Elektroniker und Fachleute für den Tief- und Hochbau ausbildete.
Für die Aufnahme in die Autolenkerschule galten strenge Regeln.Zugelassen wurden nur Männer, die das 17. Lebensjahr vollendet hattenund einen selbstgeschriebenen Lebenslauf sowie ein amtlichesSittenzeugnis aus jüngster Zeit vorlegten. Schließlich sollte dieSchule einen «Stamm guter Chauffeure heranbilden, die das besteMittel zur Verhütung von Unglücksfällen und zur Austreibung vonBedenken gegen das Automobil sind», formulierte der 1864 imunterfränkischen Rieneck geborene Kempf. Die Auto-Lobby trieb dessenBestreben in Erwartung steigender Verkaufszahlen an.
Er sei - so teilte Kempf der Königlichen Kreisregierung inWürzburg in seinem Genehmigungsantrag mit - gleich von mehrerenFahrzeugherstellern veranlasst worden, eine derartige Ausbildunganzubieten. Neben dem Bayerischen Automobil-Club begrüßte auch dieAllgemeine Automobilzeitung Deutschlands die Einrichtung einerFahrschule. Dort war zu lesen: «Es ist schon oft genug betont worden,dass ein schlechter Chauffeur sehr gute Käufer dem Automobilentfremden kann, ebenso kann aber auch ein tüchtiger Autolenkerseinen Herren derart begeistern, dass dieser erfreut seineBekanntenwelt für das Automobil gewinnt.»
Für die ersten 36 offiziellen Fahrschüler - Schlosser, Mechaniker,Herrschaftskutscher und Automobilhändler aus verschiedenen Ländern -öffnete sich am 7. November 2004 die Tür zur Welt des Automobils. DieKurse waren auf zehn Wochen angelegt und umfassten wöchentlich 15Stunden theoretischen Unterricht, zwölf Stunden Werkstatt-Tätigkeitenund acht Stunden praktische Fahrübungen. Landkartenlehre,Sanitätslehre, Physik, Elektrotechnik und der Lehre vom Motor- undAutomobilaufbau standen auf dem Programm. Einen Führerschein gab esallerdings nicht - der wurde erst um 1910 in Deutschland eingeführt.
«Der Besucher dieser Schule soll später ein Automobil von außenund innen kennen; er lernt anhand von guten Modellen den Motor undseine Einzelheiten kennen, die Funktionen der Motoren, Störungen andenselben», ist im Jahrbuch des Aschaffenburger Kunst- undGeschichtsvereins nachzulesen. Später bot die Aschaffenburger Schuleauch noch so genannte 14-tägige Herrenkurse für Offiziere, Ärzte,Fabrikanten, Baumeister und Autobesitzer an. 1906 schloss Kempf eineUnterabteilung für Karosseriebau an und benannte die Einrichtung umin «Erste Deutsche Automobil-Fachschule».
Doch Kempf nahm es selbst offenbar mit der Unbescholtenheit undeiner sachgemäßen finanziellen und administrativen Ordnung nicht sogenau: gegen ihn wurde ein Disziplinarverfahren wegen angeblichenunsittlichen Benehmens eröffnet. Am 17. November 2006 wurde Kempf dieKonzession für das Technikum und damit auch für die Fahrschuleentzogen. 419 geprüfte Wagenlenker zählte die AschaffenburgerFahrschule, ehe sie ihre Pforten schloss. Doch schon Anfang 1907begann Kempf einen Neuanfang in Mainz. Heute gibt es in Deutschlandmehr als 13 000 Fahrschulen.