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Straßenbahn wird 125 Jahre Straßenbahn wird 125 Jahre: Berliner Erfindung mit Weltruf

10.05.2006, 07:22
Nach 32 Jahren Unterbrechung fährt am 18. Dezember 1998 die erste Straßenbahn wieder unter dem Berliner Fernsehturm (im Hintergrund) über den Alexanderplatz. (Foto: dpa)
Nach 32 Jahren Unterbrechung fährt am 18. Dezember 1998 die erste Straßenbahn wieder unter dem Berliner Fernsehturm (im Hintergrund) über den Alexanderplatz. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Am 16. Mai 1881 absolvierte der kleine Wagen, vonWerner von Siemens gebaut, seine Jungfernfahrt. Auch heute schauendeutsche und europäische Städte in Sachen Straßenbahn gern nachBerlin. Seit die Tram als umweltfreundliches Verkehrsmittel eineRenaissance erlebt, ist die Hauptstadt wieder ein Vorbild - auch fürFrankreich.

Die gelbe Straßenbahn ist aus dem Berliner Stadtbild nicht mehrwegzudenken. Mit rund 180 Kilometern Länge hat die deutscheHauptstadt nach Wien das längste Tram-Netz in Europa. Die Straßenbahnprägt vor allem den Osten der Stadt. Hier gleiten komfortableNiederflurbahnen neben ratternden schmalen Tatra-Modellen aus DDR-Zeiten durch Altbau-Kieze und Plattenbau-Vorstädte.

In den vergangenen Jahren erlebte die Straßenbahn in Deutschlandeine Renaissance. Plante München zu den Olympischen Spielen 1972noch, seine Tram-Linien komplett still zu legen, sei das Netz heuteweiter ausgebaut denn je, sagt Markus Hecht, Verkehrsexperte an derTechnischen Universität Berlin (TU). Auch in Freiburg im Breisgau(Baden-Württemberg) gebe es viele neue Strecken.

Die Vorteile der Tram liegen für den Verkehrsforscher auf derHand: Straßenbahnen produzieren keine Abgase und können mit Öko-Stromfahren. Der Bau einer Strecke ist billiger als ein U-Bahn-Tunnel.Bahnen bieten mehr Platz als ein Bus und stehen mit eigenem Gleisbettauch nicht im Stau. Der Traum von der autogerechten Stadt, derStraßenbahnen seit den 60er Jahren aus vielen deutschen Städtenverdrängte, ist heute ausgeträumt - auch angesichts der steigendenBenzinpreise für Busse. «Deutsche Straßenbahn-Technik ist heutewieder führend in der Welt», sagt TU-Professor Hecht. So wurde diedeutsche Technik unter anderem ins französische Marseille exportiert.

Die Geschichte der Berliner und ihrer Straßenbahn war keine Liebeauf den ersten Blick. Viele Zeitgenossen haben Siemens' Versuchsbahn1881 belächelt. Sie war fünf Meter lang, zwei Meter breit und bot 26Fahrgästen Platz. Für 2,5 Kilometer brauchte sie 10 Minuten. ImGrunde sah sie aus wie eine Pferdebahn - mit dem Unterschied, dassihre 5 PS in Form eines Motors unter dem Wagenboden klemmten.

Kann sich Berlin der ersten elektrischen Straßenbahn rühmen, sohaben andere deutsche Städte die Entwicklung vorangetrieben. Dieerste elektrische Straßenbahn mit Oberleitung zuckelte 1884 vonFrankfurt nach Offenbach und hieß wegen ihrer harten Bänke«Knochenmühle». 1895 kurvte die erste Tram durch Stuttgarts Gassen.Berlin zog erst ein Jahr später mit der neuen Technik der Oberleitungnach, dann aber mit ganzer Kraft: Bereits 1902 fuhren fast alleLinien mit Strom. Nur Unter den Linden rollte keine Tram entlang:Kaiser Wilhelm II. wollte den Prachtboulevard nicht durch Stromkabelverschandelt sehen.

Heute kann Straßenbahn fahren in Berlins Mitte eine Chance sein,das Lebensgefühl der Hauptstadt zu erspüren. Vor den Fenstern ziehenKieze und Kneipen gemächlich vorüber, neben Mütter mit Kinderwagenquetschen sich Radfahrer und Rucksacktouristen - in einer BerlinerTram gibt es immer viel zu hören und zu sehen.

Die Straßenbahn war allerdings nicht immer so beliebt. Mit derTeilung der Stadt setzte Westberlin ganz auf Busse. Auch im Ostenwurden Linien um den Alexanderplatz abgebaut. Erst mit dem Wachsender Großsiedlungen begann die Renaissance der Tram in Ostberlin. Auchnach der Wende blieb sie populär. Ende der 90er Jahre kehrten diegelben Bahnen auf den Alexanderplatz zurück. Eine weitere Linie sollvon 2009 an den neuen Hauptbahnhof anschließen. Das ist dann diezweite Strecke, die sich den Berliner Westen zurück erobert.