Stralsund Stralsund: Blutiger Krieg um die Fischbrötchen

Stralsund/MZ - Krimikenner wissen sofort Bescheid: Verteilungskriege, Einschüchterung, Gewalt, Brandstiftung, Sprengstoff, die Konkurrenz ausschalten – da muss es wohl um Drogen gehen oder Waffenhandel, um Menschenschmuggel oder Falschgeld. Klingt nach einer großen Nummer.
Aber nicht so in Stralsund. Die alte Hansestadt in Vorpommern erlebt gerade einen seltsamen Gerichtsprozess: Drei Männer sitzen auf der Anklagebank des Landgerichts. Sie sollen ein Auto und einen Fischkutter angezündet, den stellvertretenden Oberbürgermeister schwer verprügelt und ihn mit einer Bombe bedroht haben – allerdings nicht wegen Kokain oder Diamanten. Wegen Fischbrötchen.
Die Staatsanwaltschaft Stralsund geht davon aus, dass die drei mutmaßlichen Fischbrötchengangster im Auftrag eines Bekannten handelten, gegen den noch Ermittlungen laufen. Dessen Motiv: Seine Freundin verkauft seit Jahren Fischbrötchen auf einem Kutter und fürchtete angeblich neue Konkurrenz. Die wollte er ihr vom Leib halten.
Aufschwung mit Soße
Fischbrötchen sind um den Alten Hafen in Stralsund ein gutes Geschäft. Ein bisschen Aufschwung Ost mit Remouladensoße. Angeblich bringt so ein Verkaufskutter bis zu 200 000 Euro im Jahr. Das fantastische Meeresmuseum Ozeaneum lockt mehr als eine halbe Million Touristen in die 58 000 Einwohner zählende Ostseestadt - und die Besucher beißen gerne mal in ein Fischbrötchen.
Ende 2011 hatte die Stadt Stralsund Konzessionen für die Verkaufskutter neu ausgeschrieben, jetzt konnten sich auch Neulinge bewerben. Für die Zulassung war das Bauamt zuständig. Ein Stralsunder Unternehmer hatte damals angekündigt, mit einem eigenen Verkaufskutter ins Geschäft einsteigen zu wollen. Als sich das herumsprach, bekam nicht nur Bauamtsleiter und Vize-Oberbürgermeister Heinz-Dieter Hartlieb Ärger, sondern auch der Neuling.
Maskierter mit Schlagstock
Im Rathaus soll es, so berichtet es nun der 54-jährige Bauamtsleiter im Zeugenstand, Drohanrufe und Einschüchterungsversuche gegeben haben. Und nicht nur das. Seit dem 6. Juli 2012 ist Hartlieb ein kranker Mann. An jenem Tag lauerte ihm frühmorgens ein maskierter Mann vor seinem Haus auf und prügelte mit einem Schlagstock auf ihn ein. Der CDU-Politiker wurde am Kopf und an den Beinen verletzt, musste ins Krankenhaus und steht seitdem unter Polizeischutz. Er ist bis heute krankgeschrieben.
Im August 2012 fand man dann im Stralsunder Bauamt eine Schachtel mit 400 Gramm Sprengstoff, Zimmermannsnägeln, Patronen und einer Motorradbatterie. Was fehlte war ein Zünder. Die fast fertige Bombe war eine Warnung. Der beiliegende Drohbrief lautete: „Hartlieb, du korruptes Schwein. Verpiss dich aus unserem Amt.“ Laut Staatsanwaltschaft steckten die Angeklagten auch noch den Kutter „Störtebeeker“ und das Auto des angehenden Fischverkäufers in Brand. Außerdem soll einer von ihnen Gläser mit Buttersäure ins Hotelfoyer des Geschäftsmannes geworfen haben.
Nun stehen die Männer vor Gericht, die hinter den Attacken stecken sollen: der massige Daniel L., Jahrgang 1978, ein Maler aus Demmin in Mecklenburg-Vorpommern und als Unternehmer bisher wenig erfolgreich. Neben ihm in Fußfesseln: Andre L. aus Malchin, 29 Jahre alt, er soll der Mann gewesen sein, der den Bauamtsleiter zusammenschlug. Schließlich der 34-jährige Ara Karasch A., gebürtiger Armenier und kein kleiner Fisch, der schon wegen Drogenmissbrauchs, Nötigung und schweren Raubs vor Gericht stand.
Bis Ende Mai will das Gericht herausfinden, von welchem Ende her der Fisch stinkt. 47 Zeugen sollen gehört werden. Am 22. Mai gibt es Butter bei die Fische. Dann wird das Urteil erwartet.