Tränchen in den Augen Tränchen in den Augen: Katarina Witt: Identifikationsfigur und Disney-Fan

Leipzig - Katarina Witt liebt nicht nur das Eislaufen, sie liebt auch Disneyfilme. Grund genug für die zweifache Olympiasiegerin, als Botschafterin für „Disney on Ice - Das zauberhafte Eisfestival“ die Werbetrommel zu rühren - für die Show, die vom 9. bis 11. November in der Messe Leipzig zu sehen ist, aber auch fürs Eiskunstlaufen. Warum das nötig ist und welche Unterschiede es heute zum Leistungstraining in der DDR gibt, hat MZ-Redakteurin Jessica Quick die bekannteste DDR-Sportlerin gefragt.
Frau Witt, eigentlich sind Sie ja doch gar nicht mit Disney aufgewachsen?
Katarina Witt: Richtig. Meine Kindheit ist eher vom Maulwurf, den tschechischen Filmen und russischen Märchen, die ich gelesen habe, oder Wolkows „Zauberer der Smaragdenstadt“ geprägt. Das erste Mal bin ich erst als Teenager durch meine Reisen nach Amerika mit der Welt von Disney in Verbindung gekommen. Ab da konnte ich zumindest etwas mit Micky und Donald anfangen. Ich hatte auch schon mal eine Kürmusik aus Mary Poppins, aber mir war nicht bewusst, dass die aus einem Disneyfilm war. Disneyfilme habe ich erst mit der Wendezeit, also mit 22 Jahren und danach, gesehen.
Das ist sehr spät. Sie wurden trotzdem noch „infiziert“?
Der erste Disneyfilm, an den ich mich erinnern kann, war „König der Löwen“. Als Familie - drei Generationen sozusagen - saßen wir gemeinsam vor dem Fernseher und haben diesen wunderbaren Film gesehen.
Kathi Witt - mit dem König der Löwen zu Disney
Wir alle hatten Tränchen in den Augen, als erstmals in einem Disneyfilm eine Figur starb, in diesem Falle der Vater von Simba, das war schon sehr emotional. Die ganze Familie vor den Fernseher zu bekommen, das ist eine große Kunst. Die Zeichner, die den Figuren so eine Lebendigkeit einhauchen, sind wirklich Künstler.
Und die Musik.
Ganz genau. Mit Elton John hatte Disney einen großartigen Künstler gewinnen können. Die ganze Machart ist insgesamt viel moderner geworden. Wie jetzt auch bei der „Eiskönigin“ oder „Rapunzel - neu verföhnt“. Die Figuren sind alle viel frecher. Das passt für die Jugend, und trotzdem ist man auch in meiner Generation nie zu alt für diese Filme. Neulich schauten wir im Kino „Ferdinand, der Stier“ und fanden diesen ebenso hinreißend, auch wenn der jetzt nicht von Disney ist.
Was ist Ihre Lieblingsfigur?
Olaf, der Schneemann aus der „Eiskönigin“.
Aber der tanzt doch gar nicht. Oder hat es etwas mit der Synchronstimme von Hape Kerkeling zu tun?
Nein (lacht). Aber der ist so süß und so putzig, wenn er auf dem Eis den Kopf verliert. Und dann will er auch noch in den Sommer tanzen und versteht nicht, dass er das als Schneemann nicht überleben würde.
Gibt es Olaf auch in der Show?
Ja natürlich ist er dabei.
Kennt man die Eisläufer?
Es sind gute Eisläufer, aber keine populären Namen. Denn bei „Disney on Ice“ geht es nicht um sportliches olympisches Niveau, sondern um die einfallsreichen Choreografien und das Gesamtbild mit den zauberhaften Kostümen wie bei „Die Schöne und das Biest“ oder „Arielle“.
Das heißt, es gibt mehrere Geschichten zu sehen?
Ja, beim „Eisfestival“ in Leipzig sind es vier Geschichten, die etwas ausführlicher getanzt werden. Es sind „Die Schöne und das Biest“, die „Eiskönigin“, „Arielle“ und „Rapunzel“ dabei. Ich finde es großartig, wenn etwa bei „Die Schöne und das Biest“ das ganze Geschirr wie die dicke Kaffeekanne auf das Eis läuft und tanzt. Alles ist so bunt und farbenfroh, wie zum Beispiel bei „Arielle“ die Meerestiere. Bei der „Eiskönigin“ gibt es auch ein sehr, sehr schönes Solo, bei dem Schnee von der Decke rieselt. Alles ist zauberhaft und kindgerecht umgesetzt.
Haben Sie den Tänzern eigentlich Tipps gegeben?
Nein, gar nicht. Ich bin auch nicht kreativ involviert. Man hat mich damals angefragt, und ich habe gedacht: Jawoll beim Thema Eis, da bin ich zu Hause (lacht). Und es hat sich ja auch toll entwickelt. Als die Show vor drei, vier Jahren nach Deutschland gekommen ist, gastierte sie in drei Städten. Heute sind es schon elf. Daran sieht man, dass die Faszination Disney kombiniert mit Eistanzen funktioniert. Mich freut es, wenn das Thema Eiskunstlauf stärker in die Öffentlichkeit rückt. Es ist ja leider nicht mehr so präsent.
Obwohl der Olympiasieg der Paarläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot doch Aufwind gab.
Für die 14 Tage, ja. Aber Olympia ist eben auch nur alle vier Jahre. Das reicht natürlich nicht aus.
Sie saßen bei der Kür im Publikum und sahen unheimlich berührt aus.
Ja, da fiebere ich total mit. Es hat mich sehr bewegt. Die Kür war wirklich ein Meisterstück. An diesen Auftritt werden sich die Menschen noch in ganz vielen Jahren erinnern. Die technischen Schwierigkeiten waren in einer einzigartigen Choreografie tänzerisch und künstlerisch eingebettet und einwandfrei umgesetzt.
Und kribbelt es in solchen Momenten noch bei Ihnen in den Füßen?
Nein, null. Ich bin da ganz entspannt. Ich freue mich und denke, ist das toll, dass ihr all das erlebt, was ich auch erleben konnte. Uns fehlt leider der Nachwuchs im Eiskunstlaufen. Für Leistungssport sind die Bedingungen oft ungenügend. In der DDR war das anders. Für mich gab es Einzelunterricht, weil ich mich zum Teil für die Wettkampfsaison schon im Oktober aus der Schule verabschieden musste.
Kathi Witt - Training wie damals heute gar nicht mehr möglich
Dadurch brauchte ich für meine zehnte Klasse eben 13 Jahre. Bei täglich fünf bis sieben Stunden Eis-, Ballett-, und Athletik-Training wäre das anders nicht möglich gewesen, um Weltklasse-Niveau zu erreichen. Diesen „Luxus“ hat kein Eiskunstlauf-Teenager mehr in Deutschland.
Was schlagen Sie vor: Sie als Trainerin?
Nein, um Gottes Willen (lacht). Dafür habe ich leider keine Geduld. Aber wenn der Erfolg von Aljona und Bruno keine Eintagsfliege bleiben soll, dann ist das eine herausfordernde Aufgabe der Deutschen Eislauf-Union zu sagen: Wie wollen wir endlich den Sport neu aufstellen? So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Denn dann bleibt Eislaufen weiterhin eine Form von Freizeitsport. Das reicht vorne und hinten nicht aus, wenn man langfristig und kontinuierlich in der Weltspitze mitmischen möchte.
Sie sind bekannt als das „Schönste Gesicht des Sozialismus“. Ärgert Sie das, wenn Sie auf solche Äußerlichkeiten reduziert werden?
Nein, überhaupt nicht. Der Spruch wurde in den 80er Jahren ursprünglich von einem amerikanischem Journalisten geprägt. Er sagte sinngemäß: Wenn das das wahre Gesicht des Sozialismus ist, kann Amerika meinetwegen sozialistisch werden.
Kathi Witt schmunzelt heute über Spruch vom schönsten Gesicht des Sozialismus
Noch heute muss ich über seine spontane Äußerung schmunzeln. Und zweifache Olympiasiegerin wird man am Ende, auch wenn vorteilhafte Äußerlichkeiten förderlich sein können, nur durch dementsprechende sportliche Leistung.
Denken Sie, Sie sind nach wie vor eine Identifikationsfigur?
Das hoffe ich doch sehr. Während meiner aktiven Zeit als Eiskunstläuferin haben mir die Menschen aus Ost und West die Daumen gedrückt. Das zeigt, wie der Sport emotional Menschen zusammenbringt. Der Mauerfall hat mir noch mal viele neue Wege - gerade beruflich - ermöglicht. Deswegen bin ich dankbar für die Wende. Habe aber nie meine Wurzeln vergessen und werde immer dankbar sein, für die Unterstützung, die mir die DDR im Leistungssport gegeben hat. Auch wenn damit ein immenser Leistungsdruck verbunden war. Das System des Leistungssports und somit die Menschen in der DDR haben meine sportliche Karriere finanziert.
Das werde ich nie vergessen. Wenn ich in Westdeutschland oder Amerika gelebt hätte, meine Eltern hätten sich meinen Sport nie leisten können. Mein Vater hat in der Landwirtschaft gearbeitet und meine Mutter als Physiotherapeutin. Natürlich darf ich nicht vergessen, dass ich mit Frau Müller in Chemnitz, die weltbeste Trainerin hatte. Da konnte doch nix mehr schief gehen (lacht).