Sprache Sprache: Milliarden-Phänomen SMS

Magdeburg/dpa. - Die erste SMS wurde 1992 in England verschickt. Seitdem hat sichdiese Form der Kommunikation, besonders bei den Jugendlichen, zueiner Modeerscheinung entwickelt. Schlobinski sprach vom «Gesprächohne Risiko», das einem Auge-in-Auge-Gespräch oftmals ganz bewusstvorgezogen wird. «Doch mit der SMS wird auch geflirtet, gespickt,geknuddelt und gezofft.» Der Sprachwissenschaftler untersuchtebesonders den Stil und das Kommunikationsverhalten und haterstaunliche Entdeckungen gemacht.
«Beim Eintippen der SMS wird nach dem Ökonomieprinzip verfahren»,so Schlobinski. Oberste Priorität habe immer das Einsparen vonZeichen. «Schließlich will man ein Maximum an Informationen mit nureiner SMS versenden». Und wo gespart wird, wird gekürzt. So wird ganzbewusst durch Abkürzungen «Material» gespart. Und: «Abweichungen vonder Normsprache sind in 60 Prozent aller SMS zu beobachten.»
Häufigste Abkürzung ist «hdl» (hab dich lieb) mit seinenVariationen «hdal» (hab dich auch lieb) und «hdgdl» (hab dich ganzdoll lieb). Auch die Verwendung von Kurzwörtern wie «i« für das Wort«ich» ist nach Aussage des Forschers ganz typisch. Auch bei «habich», «glaub ich» oder «lieb dich» wird zu Gunsten des Einsparens vonZeichen auf das «e» verzichtet.
Für die Linguistik sei es ganz interessant, so Schlobinski, dassman beim Betrachten der Internet- und der Mobilfunksprache vom«Transferphänomen» oder vom «Rückkopplungseffekt» sprechen könne. Sosind so genannte Inflektive, wie «*freu*», «*grins*», «*schnief*»oder der Smilie aus der Chat-Kommunikation auch im Mobilfunkbereichinzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Zusatz «*» seihingegen typisch für Handynutzer, weil im Internet unbekannt, und seieine willkürliche Markierung.
Doch kommt es bei einer von Abkürzungen lebenden, unpersönlichenVerständigung nicht auch zum Sprachverfall? «Nein», ist sichSchlobinski sicher. «Trotz der vorhandenen sprachlichen Defizite wirdeine SMS immer funktionell gestaltet. Der Inhalt ist zumindest fürden Empfänger immer verständlich.»
Laut Statistik besitzen bundesweit 74 Prozent der 12- bis 13-Jährigen ein Handy. Seit 1999 hat die Beliebtheit der Kurznachrichtstark zugenommen. So wurden im Januar 2000 deutschlandweit vierMilliarden SMS verschickt, im Januar 2001 schon 16 Milliarden. Am 3.Mai 2001 fand in Hannover sogar der erste Gottesdienst per SMS statt.