Spanien Spanien: Chaos im Katastrophengebiet
La Coruña/Madrid/dpa. - Während im In- und Ausland die Kritik an den spanischen Behörden im Umgang mit dem Unglück des Tankers «Prestige» und der Ölpest immer größer wird, sind am Freitag neue Vorwürfe laut geworden. So heißt es nun, es werde versucht, das wahre Ausmaß der Katastrophe zu verschleiern. Nach Informationen der angesehenen Zeitung «El País» sind aus dem Schiff bis zu seinem Untergang nämlich mindestens 20 000 Tonnen giftigen Schweröls ausgetreten, mehr als doppelt so viel, wie von offiziellen Stellen bislang zugegeben.
In dem nach der Havarie gebildeten Krisenkabinett scheint es selbst zu kriseln: Wie es heißt, brach ein Streit aus, weil die verantwortlichen Politiker bemüht seien, das Ausmaß der Folgen zu minimieren und Informationen zurück zu halten.
Tatsächlich gehen die Zahlen offizieller Stellen wild durcheinander. Als nach dem Untergang der «Prestige» am Dienstag ein Ölteppich drei Mal so groß wie das Saarland auf dem Atlantik trieb, hieß es immer noch, der Tanker habe nur 6000 Tonnen Schweröl verloren. Stunden später waren es gar nur noch 3000 und am Mittwoch wieder 6000. Am selben Tag meinte der Chef des Krisenstabes und Vertreter der Zentralregierung in Galicien, Arsenio Fernández de Mesa, allerdings: «Nur eines ist klar: Wir wissen nicht, wie viel Öl ausgelaufen ist.» Tags darauf versicherte er dann: «Beim Untergang ist praktisch gar nichts ausgelaufen.»
Einer der Bürgermeister an der «Todesküste» brachte es mit diesen Worten auf den Punkt: «Wir wissen nie, ob es stimmt, was man uns sagt.» Laut «El País» wusste der Krisenstab auch seit drei Tagen, dass das an die Küste gelangte Schweröl mit einem Gehalt von fast 2,6 Prozent Schwefel besonders giftig sei. Aber die Öffentlichkeit erfuhr davon erst aus der Zeitung.
«Es wird alles gut», sagte auch Galiciens «Landesvater» Manuel Fraga, als er nach acht Tagen erstmals das Katastrophengebiet besuchte. Der konservative Politiker, der an diesem Samstag 80 Jahre alt wird, hat bereits vor 36 Jahren im Zusammenhang mit einer anderen Umweltkatastrohe für Schlagzeilen gesorgt. Das war 1966, als er noch Informations- und Tourismusminister unter Diktator Francisco Franco war. Damals war im südspanischen Palomares bei Almería ein US-Bomber mit vier Atombomben abgestürzt. Um der Bevölkerung die Angst vor einer radioaktiven Verseuchung zu nehmen, badete Fraga wenige Monate später an der Unglücksstelle im Meer.
«Wenn ich mich aber jetzt hier ins Wasser stürze, hole ich mir eine Erkältung und mache mich mit Öl schmutzig», sagte «Don Manuel» nun an einem der Öl verseuchten Strände Galiciens. «Außerdem würde dies die Ölflut nicht vertreiben.» Fraga, in seiner Heimat ein durchaus beliebter Politiker, brachte für seine Landsleute dennoch Trost: Die Regionalregierung Galiciens richtete einen Hilfsfonds mit zunächst 60 Millionen Euro ein, der bei Bedarf aufgestockt werden soll.