Sozialarbeiterin: Alex W. war Einzelgänger
Dresden/dpa. - Arrogant, starrsinnig und nationalistisch: Am vierten Verhandlungstag im Prozess um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini, die in einem Gerichtssaal erstochen wurde, ist der Charakter des schweigenden Angeklagten deutlicher geworden.
Zeugen sagten am Donnerstag im Dresdner Landgericht, der 28-jährige Alex W. sei introvertiert, stolz auf sein Deutsch-Sein und ein «Einzelgänger». Am Rande des Prozesses wurde bekannt, dass die Familie der Getöteten Schmerzensgeld vom Freistaat Sachsen fordert. Der Prozess geht erst am Montag weiter.
Der Russlanddeutsche ist wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Aus bloßem Hass auf Muslime soll er die Frau, die im dritten Monat schwanger war, während einer Berufungsverhandlung wegen Beleidigung am 1. Juli erstochen und ihren Mann Elwy Ali Okaz lebensgefährlich verletzt haben. Der dreijährige Sohn war bei der Tat dabei.
Familie will Entschädigung
Der Berliner Rechtsanwalt Oliver Wallasch sagte am Donnerstag, in Gesprächen mit dem sächsischen Justizministerium gehe es zurzeit um Ansprüche der Familie der Getöteten und ihres Mannes, der seine Existenz sichern müsse. Wallasch vertritt den Bruder von Marwa El-Sherbini, der in dem Prozess als Nebenkläger sitzt.
In den Gesprächen seien bisher Meinungen zu einer möglichen Verantwortung ausgetauscht, nicht aber Summen diskutiert worden. Die Familie hatte bereits Strafantrag gegen den Vorsitzenden Richter sowie den Präsidenten des Landgerichts Dresden wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gestellt. Ein Ermittlungsverfahren läuft.
Ein Schöffe sagte indes aus, dass der Vorsitzende Richter am 1. Juli sofort den Notfallknopf gedrückt habe, als sich der Angeklagte auf Marwa El-Sherbini stürzte. Der Richter selbst hatte vor Gericht angegeben, er habe zuerst versucht, der Frau zu helfen und dann erst den Knopf betätigt.
Alex W. schon bei Berufsschulkurs schwierig
Eine Sozialarbeiterin sagte, bei einem Berufsschul-Kurs zum Lager- Hilfsarbeiter Anfang 2006 sei Alex W.'s Verhalten unflexibel, arrogant, überheblich und autoritär gewesen. Er habe sich in der Klasse isoliert, die Dozenten ständig mit Nachfragen genervt und über Regeln, die er ablehnte, diskutieren wollen. Fachlich war er demnach wenig interessiert. Er habe aber «unbedingt richtiges perfektes Deutsch sprechen» wollen.
Nationalistische Äußerungen schon früher
Bei einem Gespräch habe Alex W. gesagt, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, sagte die Sozialarbeiterin. Der Russlanddeutsche, der starrsinnige Ansichten habe, sei oft überfordert gewesen.
Auch vor dem Amtsgericht, in dem vergangenen Herbst über Alex W.'s Beleidigung gegenüber der jungen Ägypterin verhandelt wurde - der Mann hatte die Frau im Sommer 2008 auf einem Spielplatz als «Terroristin» und «Islamistin» beschimpft -, habe sich der Angeklagte uneinsichtig und fremdenfeindlich gezeigt, sagte Richterin Karin Fahlberg.
Aus seiner Sicht sei «Islamistin» keine Beleidigung, sondern eine Bezeichnung, habe er gesagt. Muslime seien keine Bürger, sie hätten keine Bürgerrechte und könnte deshalb auch nicht beleidigt werden. «Dass er sich nicht entschuldigen würde, war nach fünf Minuten klar», sagte die Richterin.
Alex W. schweigt weiter - Anwalt: Er soll endlich reden
Die Familie von Marwa El-Sherbini und ihr Ehemann warten bisher auch im Landgericht vergeblich auf ein Zeichen der Reue oder des Bedauerns. «Ich glaube, wenn sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußern würde, würde das aufseiten der Familie einiges erleichtern», appellierte Wallasch an den Angeklagten.
Doch der 28-jährige schwieg auch am Ende der ersten Prozesswoche. Die Beweisaufnahme wird am kommenden Montag unter anderem mit der Befragung von Freunden des Angeklagten fortgesetzt. Das Urteil ist für den 11. November geplant.