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Sommersturm über dem Norden Sommersturm über dem Norden: Touristen sitzen auf Helgoland fest

27.06.2007, 17:14
Auf Bördebooten werden am Dienstag (26.06.2007) bei schwerer See und stürmischen Winden Ausflügler auf den Helgolanddampfer «Kloar Kimming» gebracht. (Foto: dpa)
Auf Bördebooten werden am Dienstag (26.06.2007) bei schwerer See und stürmischen Winden Ausflügler auf den Helgolanddampfer «Kloar Kimming» gebracht. (Foto: dpa) dpa

Helgoland/dpa. - Die Wienerin Ingeborg Kaltenberger sitzt in derJugendherberge auf Helgoland fest. «Das ist kein Abenteuer, das istPanik», sagt sie am Mittwoch beim Gedanken an die Rückfahrt. Wie dieRentnerin waren tags zuvor mehr als 400 Passagiere mit dem Katamaran«Halunder Jet» auf Deutschlands einzige Hochseeinsel gekommen - undmussten bleiben. Der Sturm zwang das 52 Meter lange Aluminiumschiffin den schützenden Hafen. Schon die Überfahrt am Morgen von Hamburgüber Cuxhaven zum roten Felsen war für viele Gäste mehr alsunangenehm. «Der Großteil der Leute musste kotzen», sagt Erich Reis,der auch zu der 45-köpfigen Reisegruppe aus Österreich gehört.

Beide loben das Engagement der Helgoländer, die sich um dieunfreiwilligen Urlauber kümmern. Zumindest eine Zahnbürste, ein Bett,Getränke und Essen gibt es für alle. «Wir haben nur die Kleidung, diewir tragen», sagt Kaltenberger. Ohne wetterfeste Jacke wagen vielenicht einmal einen Spaziergang in den Sturm hinaus. Als Abenteuer magdie unternehmungslustige Wienerin den unfreiwillig verlängertenAusflug nicht sehen. Aber: «Gegen das Wetter kann man nichtsunternehmen», räumt sie ein.

Der Geschäftsführer der Förde Reederei Seetouristik GmbH (FRS),Jan Kruse, betont, der Sturm sei früher als von den Meteorologenvorhergesagt aufgezogen. Daher habe der Kapitän des Katamarans völligrichtig entschieden, nicht mehr auszulaufen. Nach Angaben desBundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie türmte derNordweststurm am Nachmittag die Wellen zwischen Helgoland und derElbmündung auf etwa 4,5 Meter auf. «Das ist und bleibt einHochseegebiet», sagt Kruse. Juristisch gesehen handelt es sich umhöhere Gewalt, dass heißt, die Fahrgäste müssen wohl für die Kostenihres verlängerten Helgolandaufenthalts selbst aufkommen. «Wir müssenjetzt sehen, wie wir die Leute von der Insel bekommen.» Auch amMittwoch pustet der Sturm nach Angaben des Deutschen Wetterdienstesnoch mit acht bis zehn Windstärken. Die Wellhöhe betrug immer noch3,5 Meter.

Auch Helgolands Bürgermeister Frank Botter wird von denNaturgewalten festgehalten, allerdings in Cuxhaven, so dass er sichnur telefonisch an der gemeinsamen Anstrengung der 1300-Einwohner-Gemeinde zur Unterbringung der überraschenden Gäste beteiligen kann.«Das sind kleine Unannehmlichkeiten, aber nichts, was wir nichthinbekommen», sagt er. Er habe sehr gute Mitarbeiter, auf die er sichverlassen könne.

Innerhalb von wenigen Minuten stand ein ganzer Arbeitsstab in derKurverwaltung bereit, um Quartiere zu besorgen, bestätigt auch FRS-Sprecherin Birte Dettmers. Nach Botters Angaben wird eine solcheSituation regelmäßig geübt. Feuerwehr und Rotes Kreuz seien daraufeingerichtet, bei Bedarf sogar eine Feldküche und Zelte aufzustellen.«Wir haben 181 Jahre Erfahrung in der Gästebetreuung», sagt Botter.Stürme, die Schiffsverbindungen zur Insel abschneiden, sind im Herbstund Winter nicht selten, aber im Sommer außergewöhnlich.

Im Hotel «Insulaner» stehen Gäste, die zur geplanten Abfahrt desKatamarans ausgezogen waren und schon auf dem Schiff Platz genommenhatten, schnell wieder an der Rezeption. «Wir haben die sieben freienZimmer gleich wieder an sie vergeben», sagt Hotelleiter Axel Ladiges.Die Betroffenen hätten zwar relativ gelassen auf die Situationreagiert, aber alle seien in ständiger Unruhe.

Herbergsvater Hartmut Jürgensen hat insgesamt 50 Reisende inseiner Jugendherberge untergebracht. 20 Polizisten, 25 Rentner derösterreichischen Reisegruppe sowie eine fünfköpfige Familie finden indem 190-Betten-Haus Zuflucht. Am Anfang seien viele der Betroffenenärgerlich gewesen. «Aber jetzt genießen sie das Naturschauspiel»,berichtet Jürgensen. Mit Blick auf die aufgewühlte See sagt er: «Daist richtig Alarm.»

Wer es eilig hat, kann einen schnellen Ausweg wählen. DieLuftfahrtgesellschaft OLT hat ihre Flüge von der Helgoländer Dünenach Büsum, Cuxhaven und Bremerhaven verstärkt und bringt je Maschineacht Gäste durch den Sturm auf das Festland.