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Migration Früherer Flughafen Tegel bleibt länger Flüchtlingsquartier

Berlin sucht wie andere Bundesländer händeringend nach Unterkünften für geflüchtete Menschen. Nun ist klar: Ohne das Provisorium Tegel geht es nicht.

Von dpa Aktualisiert: 30.05.2023, 16:19
Stockbetten stehen in einem abgetrennten Bereich im Hauptterminal des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel.
Stockbetten stehen in einem abgetrennten Bereich im Hauptterminal des ehemaligen Flughafens Berlin-Tegel. Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin - Wegen der anhaltend hohen Zahl neuer Flüchtlinge will der Berliner Senat den früheren Flughafen Tegel auch im kommenden Jahr für deren Unterbringung nutzen - und damit länger als bislang geplant. Klar sei, dass Tegel für diese Aufgabe weiter gebraucht werde und erst einmal am Netz bleiben müsse, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Dienstag nach der ersten Sitzung der sogenannten Taskforce des Senats zur Unterbringung und Integration von Geflüchteten.

Bisher war vorgesehen, das Ukraine-Ankunftszentrum im früheren Terminal C und Leichtbauhallen davor bis Ende dieses Jahres zu nutzen. Der alte Senat hatte diesen Termin bereits mehrfach nach hinten verschoben, weil die Zahl der Flüchtlinge im Vorjahr stark zunahm: Zum einen kamen mehr Asylbewerber, zum anderen Zehntausende Menschen aus der Ukraine, gegen die Russland seit Februar 2022 einen Angriffskrieg führt.

Der Trend setzt sich auch dieses Jahr fort. Nach Angaben des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten kamen bis Ende April mehr als 10.000 Flüchtlinge nach Berlin: 3866 Asylbewerber und 6484 Menschen aus der Ukraine. Auch wenn manche der Ukrainer privat unterkämen, würden dieses Jahr etwa 10.000 bis 12.000 neue Plätze zur Unterbringung benötigt, sagte Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Zum Vergleich: Bisher stehen etwa 32.000 zur Verfügung, von denen die meisten belegt sind. In Tegel ist derzeit Platz für 4500 Flüchtlinge. Rund 2800 leben nach Angaben Kiziltepes derzeit dort. 1600 Bewohner seien Kinder.

Wegner und Kiziltepe verwiesen darauf, dass die Kapazitäten in Tegel eigentlich zur kurzfristigen Unterbringung ankommender Geflüchteter für einige Tage gedacht seien und nicht, wie es nunmehr aussieht, für Monate. Ein „Realitätscheck“ habe aber ergeben, dass an Tegel kein Weg vorbei führe. „Vorrangiges Ziel ist es, Obdachlosigkeit zu vermeiden“, sagte Kiziltepe. Sie gehe davon aus, das Tegel „weit über 2023 hinaus“ benötigt werde.

Daher sollen in Tegel laut Wegner mehr soziale Infrastruktur und nicht zuletzt mehr Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder geschaffen werden. „Wir müssen dabei sämtliche Alternativen prüfen. Ziel muss es sein, Kindern und Jugendlichen altersgerechte und fördernde Umgebungen und Angebote zur Verfügung zu stellen.“ Es dürfe nicht sein, dass Kinder „24 Stunden auf eine weiße Wand blicken“.

Dem Vernehmen nach prüft der Senat eine Beschulung in sogenannten Willkommensklassen vor Ort, da in regulären Schulen momentan nicht genügend Platz ist. Der Bau neuer Schulen soll vor diesem Hintergrund beschleunigt werden.

Die Nutzung des früheren Flughafens für Geflüchtete verzögert zumindest in Teilen die Planungen für die eigentliche Nachnutzung. Auf dem weitläufigen Gelände soll die sogenannte Urban Tech Republic entstehen. Dabei handelt es sich um einen neuen Stadtteil mit Forschungs- und Industriestandorten und einem Wohnquartier.

„Uns ist bewusst, dass wir vor großen Herausforderungen stehen“, sagte Wegner mit Blick auf die Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen. „Aber wir sind gewillt, diese Herausforderung auch zu packen.“ Um schneller dringend benötigte neue und menschenwürdige Unterkünfte zu bauen, solle es ein engeres Miteinander zwischen Landesebene und Bezirken geben.

Ziel ist nach den Worten Kiziltepes auch, die Unterkünfte gleichmäßiger in der Stadt zu verteilen. Bisher leisten manche Bezirke gerade im Ostteil der Stadt dabei mehr als andere. Die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter sei aber eine „gesamtstädtische Aufgabe“, so Kiziltepe.

Wegner machte erneut deutlich, dass er sich vom Bund mehr finanzielle Unterstützung der Länder und Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen wünscht. „Das was der Bund derzeit bereit ist, den Ländern zur Verfügung zu stellen, reicht nicht aus.“ Am 15. Juni ist die nächste Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu dem Thema geplant. Sein Wunsch sei, dann zu konkreten Ergebnissen zu kommen, so Wegner.