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Segeln Segeln: Schwer, schnell und unsinkbar

07.07.2011, 19:41

KÜHLUNGSBORN/DAPD. - Reinhold Bartel fährt mit der Hand über den Rumpf des kieloben aufgebockten Katamarans. Reste roter Farbe blättern weg, das Sperrholz darunter ist grau und verwittert. "Man könnte noch was daraus machen", sagt der 75-Jährige. Der Katamaran mit dem schlichten Namen "K3" ist abgewrackt und liegt seit fast fünf Jahren auf dem Gelände des Segelclubs Kühlungsborn. Dabei ist mit ihm Segelgeschichte verbunden, denn der "K3" war wohl der erste Holzkatamaran in Deutschland.

1960 wurden drei Katamarane Marke Eigenbau am Kühlungsborner Strand zu Wasser gelassen. Der Bootstyp wurde aus der Not geboren. "Kühlungsborn hatte keine Seebrücke oder eine Marina, von der wir ablegen konnten", erzählt Bartel. Das war ein Problem: Die Boote mussten erst zum Strand gezogen und dann mit zehn und mehr Leuten ins Wasser gebracht werden. "Eine ungünstige Welle und wir waren wieder auf dem Trockenen. Oder gekentert", sagt Bartel.

Sperrholz statt Kunststoff

Zusammen mit der Schiffbaufakultät der Rostocker Uni tüftelten die Segler an einem leichteren, seetüchtigeren Bootstyp und stießen auf den Katamaran, der in Deutschland damals wohl noch nirgendwo gesegelt wurde. Statt Plastik verwendeten die Segler wasserfestes Sperrholz. "Ganz schön schwer, aber fast unsinkbar", sagt Bartel. Die Boote bekamen ein 16 Quadratmeter großes Segel und kleine Schwerter. Die Fahrtüchtigkeit der Katamarane verblüfften selbst alte Hasen. "Windstärke fünf ist noch ganz bequem zu segeln, mit unseren Jollen war da schon Schluss."

Und schnell waren die 5,20 Meter langen und 2,50 Meter breiten Boote. "Bei Regatten haben die uns immer unters Boot geguckt, ob wir einen Motor haben", erzählt Bartel grinsend. Bis zu 15 Knoten schnell waren die Zwei-Rumpf-Boote, die zwei bis vier Mann Besatzung tragen konnten.

Schnelle Boote - in einem Ort direkt an der Außengrenze der DDR, das war verdächtig. "Bei gutem Wetter kann man vom Strand aus sogar die Brücke auf Fehmarn sehen", sagt Bartel, der seit 1970 in Kühlungsborn segelt. "Aber wir wollten ja hier bleiben. Eine einzige Flucht, die hätte das Aus für den Segelclub bedeutet." Rund 100 Mitglieder hatte der Verein damals schon.

Letztlich halfen die drei Katamarane dem Segelclub, über die Jahre wirklich auch Segelunterricht und -sport anbieten zu können, sagt Vereinschef Peter Menzel. Allein mit den Jollen hätten sich die Ausfahrten der Segler auf die wenigen Schön-Wetter-Tage reduzieren müssen. Bis 2007 segelten die Katamarane noch, bevor sie außer Dienst gestellt wurden. Damit waren sie 47 Jahre auf dem Wasser, für zehn Jahre Betriebsdauer waren sie konzipiert. "Gute Pflege", sagt Bartel. Ein Boot wurde verschrottet, eins haben die Segler noch aufgearbeitet, es "ankert" im Schiffbaumuseum in Rostock.

Museumsstück

Der letzte Katamaran verwittert langsam. Wenn er nicht schnell restauriert wird, wäre er verloren. Ihn für Segeltörns fit zu machen, das sei zu aufwendig, sagt Menzel. Aber ein Liebhaber solcher Oldtimer könnte sich für das Projekt bestimmt begeistern. Bartel würde den "K3" dagegen gern wieder auf dem Wasser sehen. "Es ist so ein stabiles und bequemes Schiff. Die modernen Katamarane dagegen, auf denen man in der Trapezhose steht und sich in den Wind legt, das wär ja nichts mehr für mich", sagt der 75-Jährige.