Fall in Oberbayern „Schwieriges Verfahren“ – Prozess um Tod von Hanna
Um den Tod der Studentin Hanna in Aschau hat ein neuer Prozess begonnen. Saß der 2024 als Täter verurteilte Mann zu Unrecht im Gefängnis?

Traunstein/Laufen - Am 3. Oktober ist es drei Jahre her, dass Hanna starb. Auf dem nur rund 885 Meter langen Weg von ihrer Stamm-Disco, dem „Eiskeller“ im oberbayerischen Aschau, in ihr Elternhaus kam sie ums Leben. War es ein Unfall oder ein Verbrechen?
Das ist die Frage, die das Landgericht Traunstein nun klären muss. Kurz bevor sich ihr Todestag zum dritten Mal jährt, hat ein neuer Prozess um den Fall Hanna begonnen.
Angeklagter will sich „schweigend verteidigen“
Angeklagt ist ein heute 23-Jähriger, der damals rund um den mutmaßlichen Tatort joggen war. Er bestreitet nach Angaben seiner Verteidiger die Mordvorwürfe gegen ihn. Er wolle sich ansonsten aber „schweigend verteidigen“, sagt sein Anwalt Yves Georg nach der Verlesung der Anklage.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, die Studentin „aus sexuellen Motiven“ angegriffen und dann in einen reißenden Bach gestoßen zu haben. Am 3. Oktober 2022 um 14.26 Uhr wurde das „Auffinden eines weiblichen Leichnams“ gemeldet, wie der Beamte von der Kriminalpolizei Rosenheim vor Gericht sagt. Er leitete damals die Ermittlungen. Insgesamt seien 2.200 Personen vernommen worden, davon allein 750 „Eiskeller“-Besucher. 2.500 „Ermittlungsaufträge“ habe es gegeben und 60 Hauptspuren.
Angeklagter auf freiem Fuß
Der Angeklagte war 2024 vom Landgericht Traunstein wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt worden, doch der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil wegen Befangenheit der Vorsitzenden Richterin auf. Sie hatte sich mit der Staatsanwaltschaft ausgetauscht, ohne die Verteidigung darüber zu informieren.
Weil es dann auch noch Zweifel an der Aussage des Hauptbelastungszeugen gab, ist der 23-Jährige, der wie Hanna aus Aschau stammt, inzwischen sogar aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Den Gerichtssaal betritt er als freier Mann mit weißem Hemd und dunklem Sakko. Auf den Bildern, die die zahlreichen Fotografen von ihm machen, will er ausdrücklich nicht gepixelt werden.
„Er hat ja nichts getan“, sagt seine Anwältin Regina Rick, die öffentlichkeitswirksam auch einen anderen Mandanten im Zuschauerraum des Gerichtssaals begrüßt: Manfred Genditzki, der – laut Gericht erwiesenermaßen – 13 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis saß für einen Mord, den es nie gegeben hat und der ein Unfall war. Die Signalwirkung, die damit wohl erzielt werden soll, dürfte klar sein: Aus Sicht von Verteidigerin Rick haben die Fälle Parallelen, aus ihrer Sicht droht erneut einem Unschuldigen Gefängnis.
Abrechnung mit Richterin
Rick und ihr Kollege Georg wollen im Prozess beweisen, dass es sich um einen tödlichen Unfall handelte und Hanna ohne Fremdeinwirkung in den Bach fiel – schließlich war sie nach der Partynacht nicht mehr nüchtern. Über 2,0 Promille hatte sie laut Obduktionsbericht im Blut.
Anwalt Georg nutzt ein sogenanntes Opening Statement zu Beginn der Verhandlung, um mit der Vorsitzenden Richterin aus dem ersten Verfahren abzurechnen, wirft ihr das „Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz“ vor, „Unkenntnis, Hybris und Befangenheit“ sowie „grotesken Unfug“.
Das geht so lange, bis Walter Holderle, der Anwalt von Hannas Vater, der als Nebenkläger in dem Verfahren auftritt, einen Antrag auf Unterbrechung stellt – auch, weil aus seiner Sicht und der Staatsanwaltschaft die Verteidigung ihr Schlussplädoyer schon vorwegnimmt. Das, was die Verteidigung da vortrage, habe mit einem Opening Statement nichts mehr zu tun. Weitermachen darf Georg trotzdem.
Eine angekündigte Präsentation von Anwältin Rick mit Inhalten aus den Ermittlungsakten fällt aber aus. Stattdessen gibt es Befangenheitsanträge gegen verschiedene Gutachter und Rechtsmediziner.
„Für die Familie ist das sehr, sehr hart“
Nebenklagevertreter Holderle sagt später: „Für die Familie ist das sehr, sehr hart.“ Hannas Mutter ist, anders als im ersten Prozess, nicht mehr dabei, weil sie es nach Angaben des Anwalts nicht aushält. Auch dem Vater, der stark und dabei sein wolle, gehe es „wirklich schlecht“. Als der Kripo-Beamte Fotos von der toten Hanna zeigt, sagt ihr Vater: „Ich schau nicht hin.“
Die „juristischen Geplänkel“ der Verteidigung seien „für denjenigen, dessen Tochter umgebracht worden ist, schwer verständlich“. „Wenn es tatsächlich ein Unfall wäre, dann könnten die Eltern das akzeptieren“, sagt Holderle in einer Verhandlungspause. „Aber der Akteninhalt gibt in keiner Weise einen Unfall her.“
Richterin Will: „eine furchtbare Tragödie“
Die Vorsitzende Richterin Heike Will hatte vor der Anklageverlesung Besonnenheit angemahnt. Der Tod der jungen Frau sei „eine furchtbare Tragödie“ und es sei „nachvollziehbar und auch menschlich, wenn hier ein Bedürfnis besteht, jemanden zur Verantwortung zu ziehen“. Aber wenn der Angeklagte unschuldig im Gefängnis gesessen habe, dann habe dies „das Leben dieses jungen Mannes nachhaltig verändert“.
Es sei nun Aufgabe des Gerichts, die Vorwürfe aufzuklären – „soweit sie sich aufklären lassen“. Es sei „ein schwieriges Verfahren“, sagt sie. „Keiner von uns war dabei, keiner von uns weiß, was in dieser Nacht wirklich passiert ist.“
Urteil womöglich im Dezember
26 Verhandlungstage hat das Landgericht Traunstein für den Prozess angesetzt, der aus Platzgründen in einem Saal des Amtsgerichts Laufen stattfindet. Das Urteil könnte demnach kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, fallen.