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Schweiz Schweiz: «Sissi» schafft es durch die Alpen

Von STEFFEN KLATT 15.10.2010, 10:36
Um 14.17 Uhr fräste die riesige Tunnelbohrmaschine «Sissi» die letzten Meter Gestein weg. (FOTO: DPA)
Um 14.17 Uhr fräste die riesige Tunnelbohrmaschine «Sissi» die letzten Meter Gestein weg. (FOTO: DPA) KEYSTONE

LUZERN/MZ. - Diesen Augenblick hat sich Moritz Leuenberger nicht nehmen lassen wollen. "Der Berg ist groß. Wir sind klein", erklärte der Schweizer Verkehrsminister gestern vor dem Durchbruch des Gotthard-Basistunnels. So klein, dass im Anschluss der Segen des Herrn auf diesen längsten Tunnel der Welt erbeten wurde - und vor allem auf die Reisenden: "Beschütze all jene, die durch diesen Tunnel reisen werden."

Um 14 Uhr ist es dann soweit. Hans Gössnitzer, der aus Österreich stammende Maschinenführer, wirft die 450 Meter lange, 14 Meter Durchmesser zählende Tunnelbohrmaschine an. Die Mineure haben sie auf "Sissi" getauft. 14.18 Uhr hat Sissi ihre Arbeit getan. Mit dem Ausbruch der letzten anderthalb Meter Gestein ist der mit 57 Kilometern längste Tunnel der Welt entstanden. Er verbindet Erstfeld im Kanton Uri im Norden und Faido im Kanton Tessin im Süden. Mit einer Höhe von nur 550 Metern über dem Meer ermöglicht er die erste Flachbahn durch die Alpen. Der Eisenbahntunnel soll spätestens 2017 eröffnet werden. Laut Renzo Simoni, Chef der Bauherrin AlpTransit Gotthard AG, ist eine Eröffnung ein Jahr früher "sportlich, aber machbar".

Dann wird die Reisezeit durch die Alpen um eine Dreiviertelstunde verkürzt. Güterzüge können mit einer einzigen Lokomotive durch das Gebirge geführt werden. Bisher waren zwei nötig. 2019 soll zudem der Ceneri-Tunnel weiter südlich im Tessin fertig sein. Damit sollte die Bahn für das weitere Wachstum von Passagier- und Güterzahlen genügend Kapazitäten bis 2030 haben, erwartet Simoni. Erst dann müssten einzelne Flaschenhälse auf anderen Teilstrecken in der Schweiz erweitert werden. Auf einem anderen Blatt stehen die Anschlussstrecken in den Nachbarländern. Deutschland und Italien hatten versprochen, ihre Strecken auszubauen. Doch sowohl auf der Strecke Basel-Karlsruhe als auch zwischen der Schweizer Grenze und dem Raum Mailand dürfte es zu Engpässen kommen.

Der Gotthard-Basistunnel ist Teil der Schweizer Verkehrspolitik, die eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene vorsieht. 1994 hatte eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wie der Kantone verlangt, dass der Strassenausbau in den Bergen gestoppt wird. Der Gotthard-Basistunnel selbst dürfte neun Milliarden Franken kosten. Doch der gesamte Bahnausbau kommt auf 22 Milliarden. Dazu gehört auch der Lötschbergbasistunnel. Dieser 34 Kilometer lange Eisenbahntunnel zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis war bereits 2007 eröffnet worden. Finanziert werden die Bahnausbauten unter anderem mit der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe: Jeder Lastwagen, der in der Schweiz fährt, zahlt Kilometergeld.