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Schutzprogramm Schutzprogramm: Forscher überlisten Schreiadler zur Rettung der Art

08.08.2006, 05:54
In der Naturschutzstation Woblitz nahe dem nordbrandenburgischen Himmelpfort betreut der Leiter Paul Sömmer zwei junge Schreiadler. (Foto: dpa)
In der Naturschutzstation Woblitz nahe dem nordbrandenburgischen Himmelpfort betreut der Leiter Paul Sömmer zwei junge Schreiadler. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hamburg/Woblitz/dpa. - Doch durch geschicktes Entfernen einzelner Jungtiere kann deren gegenseitiges Töten verhindert werden. Die Weltarbeitsgruppehat sich mit der Deutschen Wildtierstiftung (Hamburg) verbündet, umDeutschlands am meisten gefährdete Adlerart vor dem Aussterben zubewahren: den Aquila pomarina - auch Pommernadler oder Schreiadlergenannt.

Die Zahl der äußerst scheuen, dunkelbraunen Greifvögel mit demcharakteristisch gelb-blauen Schnabel sinkt seit Jahren inDeutschland. Wurden 2003 noch 130 Brutpaare gezählt, waren es 2006nur noch 109 Brutpaare - 80 Paare in Mecklenburg-Vorpommern, 25 Paarein Nordbrandenburg und 3 Paare in Sachsen-Anhalt.

«Es gibt ein ganzes Bündel von Ursachen, das uns bewogen hat, daeinzusteigen», erläutert Hilmar von Münchhausen, Geschäftsführer derWildtierstiftung, deren Schirmherr Ex-Bundespräsident Roman Herzogist. So müssten Wälder und Wiesen als störungsarme Kulturlandschafterhalten, ein Jungvogelmanagement aufgebaut und die Schreiadler aufihren Zugrouten über 10 000 Kilometer bis ins südliche Afrika bessergeschützt werden.

Insgesamt will die Stiftung, die auf Zuschüsse vom Bund undanderen Stiftungen hofft und emsig um Spenden wirbt, über fünf Jahrerund 1,8 Millionen Euro aufbringen. Das Einsatzspektrum ist breit:Der Schreiadler braucht für Balz und Brut ruhige Wälder, möglichstmit Laubholz, und für die Jagd feuchte, möglichst nicht sehr hochbewachsene Wiesen. Als einziger Adler sichtet diese Art ihre Beuteaus dem Flug, jagt und erlegt Mäuse oder Amphibien dann aber zu Fuß.So wirbt die Stiftung für unzerschnittene Wälder, extensivbewirtschaftete Wiesen und eine Landschaft ohne Windräder, die eine«Scheuchwirkung» haben.

Aber das allein reicht nicht. «Das zweite große Problem ist der'Kain und Abel-Effekt' - wobei genetisch bedingt das Erstgeborene imNest das Zweitgeborene tötet», erläutert Meyburg. So wird das zweiteJunge ganz früh aus dem Nest genommen, über vier Wochen in derNaturschutzstation Woblitz in Nordbrandenburg aufgezogen und dannzurückgebracht. Der Trick dabei: «Wir nehmen dann den Erstgeborenenmit, pflegen ihn drei bis vier Wochen und bringen ihn dann auchzurück - dann ist der Tötungstrieb erloschen», sagt Meyburg. 2006funktionierte dies bereits bei drei Paaren.

Nur mit solchem Jungvogelmanagement könne der Rückgang erst einmalgestoppt werden. «Bei generell nur einem Jungen sind die Nestverlustedurch Baummarder, Habichte oder einfach zu geringe Nahrungsangebotezu groß», erklärt Paul Sömmer, der die Station Woblitz leitet. Bisherschaffe es nur jedes zweite Paar, ein Junges aufzuziehen, dass imSeptember den Vogelzug gen Süden meistere.

Und dort lauert die nächste Gefahr: «Schreiadler legen dieweitesten Strecken aller wandernden Greifvögel zurück, werden abervor allem in Syrien und Libanon intensiv bejagt», erläutert Meyburg.Es gebe aber positive Signale, dass die Art in die strengsteSchutzkategorie (Anhang I) der Bonner Konvention aufgenommen wird.Erst dann könnte stärker gegen die Wilderei entlang der Flugroutenvorgegangen werden.

Damit die Forscher immer auf dem neuesten Stand sind, sollen ab2007 auch zwölf Jungvögel und sechs ältere Männchen mit Sendernversehen werden. Dabei komme im Fall der erwachsenen Tiere ein ineinem Tierpark aufgewachsener Seeadler zum Einsatz. «Schreiadlerattackieren Seeadler sofort wenn sie in ihre Nähe kommen und könnenso per Netz für sie ungefährlich gefangen werden.»