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Schneewalze über Spanien Schneewalze über Spanien: Wintereinbruch lässt Madrid im Chaos versinken

Von Ralph Schulze 10.01.2021, 20:08
Binnen weniger Stunden versank die spanische Hauptstadt Madrid vollkommen in den Schneemassen, die das Unwetter „Filomena“ mitbrachte. 
Binnen weniger Stunden versank die spanische Hauptstadt Madrid vollkommen in den Schneemassen, die das Unwetter „Filomena“ mitbrachte.  dpa

Madrid - „Das war ein Schnee-Tsunami“, sagt Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida. Die spanische Hauptstadt werde eine Woche benötigen, um nach dem Jahrhundert-Schneefall zur Normalität zurückzukehren. Auch am Sonntag war die Metropole, in der 3,3 Millionen Menschen leben, noch weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Nach dem heftigsten Schneefall seit 50 Jahren war der Verkehr in der Stadt zusammengebrochen. Der Airport, Bahnstrecken und Fernstraßen waren gesperrt und sollten erst am Sonntagabend wieder öffnen.

Gefangene Autofahrer

Auf Madrids Ringautobahnen waren tausende Autofahrer von den Schneemassen, die das Unwetter „Filomena“ brachte, eingeschlossen. Die Retter brauchten bis zu 18 Stunden, um zu allen Fahrzeugen vorzudringen. Im Radio hörte man Hilferufe von im Schnee gefangenen Autofahrern, die beklagten, dass keine Räumfahrzeuge unterwegs seien und dass sie nur noch wenig Benzin hätten, um die Fahrzeugheizung zu betreiben. Hunderte mussten die Nacht ohne Decken und Nahrung im Wagen verbringen.

Nach dem Sturm erwachte die so sonnenverwöhnte Metropole in einer apokalyptischen Stille. Über Nacht war ein halber Meter Schnee über der Stadt niedergegangen. Kein Verkehrslärm weckte die Bewohner. Stattdessen sah man Skifahrer, die sich ihren Weg durch den Schnee bahnten.

„Bitte bleiben Sie zu Hause“, bat Bürgermeister Almeida die Bevölkerung. „Auf der Straße ist es gefährlich.“ Von Hausdächern gingen Schneelawinen auf die Bürgersteige nieder. Äste und Bäume krachten unter der Schneelast auf die Straßen. Madrids Parks wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt. Eisiger Wind verwandelte Bürgersteige und Fahrbahnen in Rutschbahnen. Meterhohe Schneewehen türmten sich auf.

Madrid glich am Sonntag einer Skistation

Hinzu gesellt sich die nächsten Tage eine neue Kaltfront, die Spanien mit ungewöhnlich frostigen Temperaturen erzittern lassen wird. In Vega de Liordes, einem Ort in der Provinz León in den Picos de Europa in den Pyrenäen im Nordwesten Spaniens wurden jetzt bereits 35,8 Grad minus gemessen. Das ist die niedrigste Temperatur, die jemals auf der iberischen Halbinsel registriert wurde, wie das regionale meteorologische Institut Noromet mitteilte. „Historischer Rekord!“, twitterte Noromet.

In Madrid ließen es sich viele Bewohner trotzdem nicht nehmen, zu einem historischen Erinnerungsfoto vor die Tür zu gehen. Die Stadt glich am Sonntag ein einer einzigen Skistation. Nicht wenige Bewohner hatten ihre Bretter aus dem Keller geholt. Sie nutzten die autofreien Straßen und Autobahnen, um sich in ungewohnter Umgebung im Langlauf zu üben. Familienväter zogen ihre Kinder mit Schlitten über die vielspurigen Hauptverkehrsstraßen. Auf Straßenkreuzungen und vor Haustüren wuchsen überall Schneemänner.

Soldaten und städtische Arbeiter bemühten sich derweil, wenigstens die Zugänge zu Metrostationen, Krankenhäusern und anderen wichtigen Einrichtungen freizuschaufeln. Angesichts der immer noch chaotischen Lage sollen Schulen und Universitäten mindestens bis zum Dienstag geschlossen bleiben. Eigentlich sollte, trotz steil ansteigender Coronakurve, der Lehrbetrieb am Montag wieder starten.

Schlechte Vorbereitung

Seit Tagen hatten die Meteorologen vor dem Schneeunwetter „Filomena“ gewarnt. Doch auch das verhinderte nicht, dass „Filomena“ für chaotische Szenen sorgte. Was allerdings auch daran liegt, dass in der spanischen Hauptstadt nur selten Flocken rieseln und niemand darauf vorbereitet ist. Es gibt nur wenige Räumfahrzeuge. Praktisch kein Fahrzeug ist mit Winterreifen ausgerüstet. Einige Fahrer hatten zwar während des Schneesturms Ketten im Kofferraum. Doch das half ihnen nicht, weil querstehende Fahrzeuge den Weg blockierten.

Bis zum Sonntag wurden vier Todesopfer gemeldet, die durch „Filomena“ verursacht wurden. Ein Mann konnte nur noch tot aus einem Fahrzeug geborgen werden, das unter den Schneemassen begraben worden war. Zudem wurde ein Obdachloser leblos im Schnee gefunden. (mz)