Schienenverkehr Schienenverkehr: Über 75 Menschen sterben bei einem Zugunglück in Japan

Tokio/dpa. - Einen Tag nach dem schweren Zugunglück in Japanhaben Rettungskräfte immer noch Opfer in den völlig zerstörtenAbteilen gefunden. Bis zum späten Abend wurden insgesamt 75 Leichengeborgen. Mehr als 450 Menschen erlitten nach Angaben der Feuerwehr teils schwere Verletzungen. In den Wagen wurden noch 10 bis 20weitere Opfer vermutet. Ausgerüstet mit Detektoren zurelektromagnetischen Messung von Herzschlägen kämpften sich die HelferStück für Stück durch die Trümmerteile. Die Polizei leitetestrafrechtliche Ermittlungen gegen die Bahngesellschaft JR West wegenVerdachts der Missachtung der Sorgfaltspflicht mit Todesfolge ein.Der Zug soll mit mehr als 100 Stundenkilometern statt der erlaubten70 gefahren sein.
Das Unglück hatte sich am Montagmorgen gegen Ende derHauptverkehrszeit in Amagasaki nahe Osaka, in rund 400 KilometerEntfernung von Tokio, ereignet. Vermutlich wegen der zu hohenGeschwindigkeit war der Expresszug in einer Kurve entgleist und inein Wohnhaus gerast. Am Dienstag kam es in der Provinz Ibaraki zueinem weiteren Zugunfall, als ein Expresszug an einem Bahnübergangmit einem Lastwagen zusammenstieß und entgleiste. Der möglicherweisealkoholisierte 31-jährige Fahrer des Lastwagens wurde leichtverletzt. Die Passagiere des Zuges kamen mit dem Schrecken davon.
Derweil konnten die Tag und Nacht arbeitenden Rettungskräfte inAmagasaki drei Menschen aus den zerstörten Abteilen retten, daruntereinen 19-jährigen Studenten. Mit schwerem Gerät wurden die erstenAbteile weggeräumt. Die Polizei sicherte in den Büros derBahngesellschaft Unterlagen zum Unfallhergang. Medien berichteten amAbend, dass der Zug mit mehr als 100 Stundenkilometern in die Kurvegefahren sei. Zugelassen sind jedoch nur 70 Stundenkilometer.Möglicherweise hätten auch Kieselsteine auf den Gleisen oder eineKombination beider Faktoren zu dem Unglück beigetragen.
Rettungskräfte fanden auf dem Fahrersitz einen uniformierten Mann,bei dem es sich vermutlich um den 23-jährigen Zugführer handelt. Ober noch lebte, war zunächst unklar. Der junge Mann, der erst gut elfMonate Berufserfahrung hatte, war kurz vor dem schweren Unglück aneinem Bahnhof zu weit gerollt und hatte zurücksetzen müssen. Er wardeswegen 90 Sekunden verspätet abgefahren. Medienberichten zufolgehatte JR West seine Mitarbeiter kurz zuvor unter Druck gesetzt,Verspätungen zu vermeiden. Die Bahngesellschaft hatte am Montagerklärt, der Fahrer sei 8 Meter zu weit gerollt. Am Dienstag hieß esjedoch, es seien tatsächlich 40 Meter gewesen.
Der Schaffner habe dem Unternehmen erklärt, dass der Zugführer ihnnach dem Vorfall gebeten habe, dem Kontrollzentrum eine kürzereDistanz zu melden, berichteten Medien. Nach dem Zurücksetzen habe derZugführer dann scheinbar versucht, den Zeitverlust aufzuholen. Medienzitierten Berichte des Bahnunternehmens, wonach der 23-Jährigebereits mehrmals verwarnt worden sei: 2002 habe er als Schaffnerversäumt, die Notbremse zu ziehen, als ein Zug über einen Bahnhofhinausrollte. Ein Jahr später hatte ein Fahrgast sich beschwert, dasser im Schaffnerdienst «abwesend» gewirkt habe. Zudem war er imvergangenen Juni als Zugführer rund 100 Meter über einen Bahnhofhinausgefahren.
