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Sachsen Sachsen: Sebnitz feiert 175 Jahre Kunstblumenhandwerk

Von Gudrun Janicke 16.04.2009, 08:52
Adrienne Lantos, das «Sebnitzer Blumenmädchen», steht in der Stadthalle Sebnitz vor einer Wand mit Musterkartons voller Kunstblumen. (FOTO: DPA)
Adrienne Lantos, das «Sebnitzer Blumenmädchen», steht in der Stadthalle Sebnitz vor einer Wand mit Musterkartons voller Kunstblumen. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Sebnitz/dpa. - Eine Ausstellung erinnert an diesem Wochenende zu den 13. Sebnitzer Blumentagen an die Kunst der Blumenmacherinnen.

Welche Rose in der Ausstellung echt, welche von Menschenhand aus Seide entstand, ist vom Augenschein her kaum zu unterscheiden. Seit 175 Jahren werden in der ostsächsischen Stadt Sebnitz Kunstblumen gefertigt. Zu DDR-Zeiten lebten etwa 3000 bis 5000 Menschen von den künstlichen Schönheiten. Für das Gewerbe kam jedoch mit der Wende und der billigeren Konkurrenz aus Fernost das Aus. Dennoch wird dieTradition wachgehalten, auch um noch mehr Touristen in die SächsischeSchweiz zu locken.

Eine Ausstellung erinnert an diesem Wochenende zu den 13.Sebnitzer Blumentagen an das Handwerk. Zartlila Magnolien, kräftigrote Nelken, apart schlingender Efeu, verspielte Hornveilchen,Maiglöcken mit winzigen Blüten - fast das gesamte Alphabet heimischerund exotischer Flora ist vertreten. «Auch wenn sich der Modegeschmackimmer wieder änderte, für Kunstblumen gab und gibt es immer einenMarkt», betont Erik Beckert, Leiter vom örtlichenFremdenverkehrsbetrieb, zu dem auch das Haus Deutsche Kunstblume miteiner Schauwerkstatt gehört. «Die Frage ist nur, welchen Preis derKunde für Handarbeit zahlen will.»

Die nahezu unvergänglichen Schönheiten haben auch heute einenfesten Platz bei Liebhabern aller Generationen. «Das Image ist nichtangestaubt», bekräftigt Beckert. Studenten der Fakultät AngewandteKunst der Fachhochschule Zwickau machen das vor und zeigen einenvöllig unkomplizierten Umgang mit Kunstblumen. Die Technik desPressens von Stoff für Blütenblätter übernahmen sie im Modedesign. Esentstanden Kleider mit stark strukturierten Stoffen, die wieBlütenteppiche wirken.

In der Schau werden auch Höhen und Tiefen des Handwerksnachgezeichnet. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hattenhier 200 Fabriken ihren Sitz, der Reichtum der Unternehmer ist heutenoch an prachtvollen Villen im Stadtbild zu erkennen. Von Sebnitz auswurde etwa drei Viertel des Weltbedarfs gedeckt. Während derWeltwirtschaftskrise und der beiden Weltkriege gab es kaum Bedarf anden künstlichen Blumen - die Schau zeigt Tarndecken für Soldaten oderaus Papier gefertigte Armee-Unterwäsche, die in der Zeit entstanden.

Die Seidenblumen kamen einst mit böhmischen Handwerkern nachSebnitz. Sie waren 1834 aus dem nur wenige Kilometer entfernten OrtDolni Poustevna umgezogen. Durch verschärfte Zollbestimmung war esfür sie nicht mehr lukrativ, ihre Waren in die damaligen deutschenStaaten zu liefern. Die Sachsen lernten schnell, ebenso schönekünstliche Blumen zur Dekoration von Kirchen, als Grabschmuck, fürHochzeiten oder für Putzmacherinnen zu fertigen.

Nach 1945 wurden Firmen enteignet, in den 50er Jahren entstand dervolkseigene Betrieb VEB Kunstblume. In einem eigenen Bereich wurdendas ganze Jahr über rote Nelken für den 1. Mai gefertigt - für dengesamten Ostblock. Einige Unternehmen wurden nach der Wendeprivatisiert und die meisten Mitarbeiter entlassen. Eine knappeHandvoll Firmen sind im Raum Sebnitz heute noch im Geschäft. InBöhmen werden inzwischen Wischmopps statt Blumen hergestellt.

Die 2002 in Sebnitz eröffnete Schauwerkstatt Deutsche Kunstblumezeigt das «Blümeln», wie der Fachmann sagt. 20 Mitarbeiter führendas fast ausgestorbene Handwerk vor. Musterkataloge mit rund 5000Blumen und etwa 120 000 Stanz- und Prägeeisen stehen aber immer nochfür Inspirationen offen.