Brauchtum Sachsen-Anhalts Vorweihnachtstraditionen sind zwangloser
Sachsen-Anhalts Vorweihnachtstraditionen liegen im zwanglosen bundesweiten Trend. Touristisch könnte ein lokales historisches Tanzwunder die Gegend um Bernburg bekannter machen.

Halle - Mit Blick auf Weihnachtstraditionen geht es in Sachsen-Anhalt inzwischen zwangloser und individueller zu. „Dass die Menschen mit ihren Bräuchen bewusst die Geburt Christi am 24. Dezember erwarten, ist selten geworden“, sagte die wissenschaftliche Referentin für Kulturerbe beim Bundesverband der Heimatpflege BHU (Bonn), Annette Schneider-Reinhardt. „Stattdessen startet der Handel Anfang Dezember in die heiße Phase des Weihnachtsrummels. In den Geschäften liegen bereits Anfang September weihnachtliche Süßwaren.“
Nach Corona gibt es wieder vermehrt Weihnachtsfeiern im Bekanntenkreis und mit Arbeitskollegen. „Der Trend geht zu zwangloseren Treffen am Glühweinstand auf dem Weihnachtsmarkt, vielleicht auch wegen der gestiegenen Gaststättenpreise“, sagte Schneider-Reinhardt. „Auch das vorweihnachtliche Aufstellen und Schmücken von Weihnachtsbäumen bereits vor oder ab 1. Advent nimmt weiter zu.“ Früher wurde der Weihnachtsbaum am Vormittag des „Heiligen Abends“ aufgestellt.
„Ebenso werden immer mehr Vorgärten mit Lichtelementen geschmückt“, sagte die Referentin. „Die Tradition des Schwibbogens, ausgehend vom Erzgebirge, ist in ganz Deutschland mehr oder weniger angekommen. Inzwischen sind diese Schwibbögen mit ganzen Landschaften versehen. Neu sind Schwibbogenbänkchen auf Fensterbrettern zur erhöhten Aufstellung, damit auch jeder von außen den Bogen bewundern kann.“
Eine Besonderheit will der Heimatverein Ilberstedt bei Bernburg (Salzlandkreis) herausgefunden haben. Knecht Ruprecht soll aus dem ehemaligen Kölbigk, also aus Sachsen-Anhalt stammen. Der Bezug wird hergestellt, weil es eine Tanzwundersage gibt. Der Pfarrer, der dort um 1021 Störenfriede der Weihnachtsmesse zum endlosen Tanzen verfluchte, heißt in der Sage Rupert oder Ruprecht.
„Auslöser des Schenkbrauches in der Weihnachtszeit ist die Figur jenes heiligen Nikolaus, der seit dem 6. Jahrhundert in Legenden auftaucht. Dabei wurde dem heiligen Nikolaus der teuflische Gesell Ruprecht zur Seite gestellt“, sagte Schneider-Reinhardt. „Er übernahm die pädagogisch negative Rolle des Strafens, was die positive Ausstrahlung von Nikolaus noch verstärkte.“
In der Folge der Reformation sei es zunächst vor allem in den evangelischen Gebieten zur Erfindung einer neuen Figur im Brauchgeschehen, nämlich der Darstellung des „Heele Christ“ als Christkind gekommen. Es wurde meist als Gabenbringer von jungen Mädchen gespielt. Noch heute gibt es den „Heele Christ Weihnachtsmarkt“ in Bernburg.
Warum sich aber auf Ruprecht beziehen? Für die Öffentlichkeitsarbeit des Heimatvereins Ilberstedt biete die Geschichte vom Tanzwunder viel mehr. „Beispielsweise könnte ein Attribut zum Ortsnamen auf Einmaliges verweisen, also „Tanzwunderort Ilberstedt““, sagte die Expertin. „Warum nicht auch einen Künstlerwettbewerb für eine Plastik tanzender Menschen initiieren?“ Touristisch sei der Verweis auf das ehemalige Klostergelände und den Friedhof wichtig. Immerhin gebe es bereits eine Rekonstruktion der Klosteranlage als verkleinertes Modell vor Ort.