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Russland Russland: Die dreckigen Geschäfte der Moskauer Müllmafia

Von Swetlana Illarionowa 11.04.2009, 14:24
Ein mit Hausmüll überquillender Container in einem Hinterhof in Moskau. Moskau ist mit über zehn Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt Europas. Sie ist auch ein ebenso gigantischer wie chaotischer Müllproduzent. (FOTO: DPA)
Ein mit Hausmüll überquillender Container in einem Hinterhof in Moskau. Moskau ist mit über zehn Millionen Einwohnern nicht nur die größte Stadt Europas. Sie ist auch ein ebenso gigantischer wie chaotischer Müllproduzent. (FOTO: DPA) dpa

Moskau/dpa. - Während Umweltschützer vor einerKatastrophe warnen, macht die Müllmafia dreckige Geschäfte mit demAbfall. So genannte Müllkönige herrschen über illegale und offiziellgeschlossene Deponien. Private Firmen kassieren überzogene Summen fürdie Abfuhr von Sperr- oder Sondermüll. Wo sie den Abfall entsorgen,verraten sie aber nicht. Sogar die Verwaltung ist aus Sicht vonUmweltschützern in das schmutzige Geschäft verwickelt. Bis 2012 willdie Stadt sechs Müllverbrennungsanlagen bauen lassen. Die Trennungvon Abfall ist ein Fremdwort, selbst Batterien landen im Hausmüll.

Wenngleich das Umweltbewusstsein bei den allermeisten Bürgern kaumausgeprägt ist, so wachen doch immer mehr Moskowiter auf. Siefürchten, dass diese Fabriken ohne ausreichende Filteranlagen diedicke Luft in Moskau weiter verpesten. «Die Politiker machen bloßGeld auf Kosten unserer Gesundheit», sagt selbst der Vize-Chef derstaatlichen Umweltaufsicht, Oleg Mitwol, der sich gern mit denkorrupten Behörden anlegt. «Es ist viermal billiger, alle Abfällesinnlos zu verbrennen, statt sie zu sortieren und zu verarbeiten.Auch an den Emissionsfiltern und deren Kontrolle wird ohne Zweifelmanches gespart», meint Mitwol.

Schadstoffausstoß ist ein Schlüsselwort im Streit mit der Stadt.Die Umweltschützer fürchten die Verbreitung des hochgiftigen Dioxin.«Moskaus Bürgermeister (Juri Luschkow) nimmt die Vergiftung vonMillionen Einwohnern in Kauf», meint Lew Fjodorow, Vorsitzender desVerbandes «Für Chemische Sicherheit». «In Westeuropa gibt es solcheAnlagen. Aber dort werden nur zuvor sortierte Abfälle verbrannt, wasdie Emissionen deutlich senkt.»

Auch Experten von Greenpeace warnen: Wenn in Moskau drei alte undsechs neue Müllverbrennungsanlagen in Betrieb sind, werde dieAtmosphäre jährlich um 2,5 Millionen Tonnen schädlicher Stoffe mehrbelastet. Die Angst vor Krankheiten wie Krebs treibt immer mehr dersonst nicht gerade demonstrationsfreudigen Moskauer auf die Straße.Bei Protesten tragen sie Gasmasken und Plakate mit apokalyptischenStadtmotiven.

«Unsere Proteste sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein», sagtJulia, eine der Demonstranten am neuen Wolkenkratzerviertel MoskwaCity. Sie klingt enttäuscht. Zwar haben mehrere Initiativen schonmehr als 110 000 Unterschriften gegen die Müll-Politik eingereicht.Eine Antwort kam bisher nicht. Dabei hatte auch Präsident DmitriMedwedew nach seinem Amtsantritt den Umweltschutz als eine derHauptaufgaben genannt. Besorgt zeigte sich Medwedew, dass «40Millionen Menschen in Russland in einer ungesunden Umgebung leben».

In der gefährlichen Verschmutzung der Umwelt sehen Experten aucheinen wesentlichen Grund für die geringe Lebenserwartung im Land.Auch Menschenrechtler hatten in der Vergangenheit immer wiederkritisiert, dass Russland das in der Verfassung verankerte Recht derBürger auf eine gesunde Umwelt mit Füßen trete. Zwei Drittel der 142Millionen Menschen hätten kein Trinkwasser, das internationalenStandards entspreche.

1,3 Milliarden Euro gibt Moskaus Verwaltung für den Bau der neuenMüllverbrennungsanlagen aus. Doch angesichts der schweren Finanzkrisehoffen die Gegner der Projekte nun, dass sie nicht gebaut werden.«Auf die Vernunft unserer Politiker mit ihren unsinnigen Initiativenist kein Verlass. Wir können nur hoffen, dass uns die Krise hilft unddie Mittel für diesen Bau letztlich einfach fehlen», sagte derVizepräsident des russischen Grünen Kreuzes, Alexander Tschumakow.

Doch auch wenn das Geld für die Verbrennungsanlagen ausbleibt,löst sich das Problem nicht von allein. Die wenigen legalen Deponiendürfen nur noch drei bis vier Jahre weiter benutzt werden. Inzwischenproduziert ein durchschnittlicher Moskauer weiter immens viel Müll -272 Kilo pro Jahr. Zum Vergleich: Jeder Deutsche kommt jährlich auf207 Kilo Haushaltsmüll. Da der Konsum in Russland zunimmt, steigtauch das Abfallaufkommen rasant. Ökologen von Greenpeace und GrünemKreuz befürchten, dass die Moskauer Stadtverwaltung trotz der Krisekeinen sauberen Weg in der Bekämpfung des Müllproblems gehen wird.