1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Religionen: Religionen: Streit um Gebetsruf in der Türkei

Religionen Religionen: Streit um Gebetsruf in der Türkei

30.10.2001, 14:18
Suleima-Moschee in Istanbul
Suleima-Moschee in Istanbul dpa

Istanbul/dpa. - Wenn Moslems in Deutschland eine richtige Moscheemit Minarett bauen wollen, lässt der Streit mit den Anwohnern meistnicht lange auf sich warten. Vielen ist die Vorstellung, fünf Mal amTag vom Gebetsruf des Muezzin beschallt zu werden, schlicht einGräuel. Doch nicht nur in Deutschland, auch in der Türkei wird überden Ruf zum Gebet («Ezan») gestritten - auch wenn die Fronten dortanders verlaufen.

In Fatih, einem der historischen Altstadtviertel von Istanbul,stellten Bewohner dieser Tage voller Verwunderung fest, dass derLautsprecher ihrer Moschee stumm blieb. Was war passiert? Wer esnicht wusste oder noch nichts bemerkt hatte, konnte es tags darauf inder Zeitung nachlesen: «Für den Gebetsruf hat die lautsprecherloseZeit begonnen», schrieb das Massenblatt «Hürriyet».

Weitaus heftiger tönte es aus dem islamistischen Blätterwald: «Ichwill meinen "Ezan" wieder haben», machte sich die Zeitung «YeniSafak» zum Sprachrohr der Entrüsteten. «Ich wohne in der Straße derMoschee. Glaubt mir, den Ruf des Muezzin können wir nicht hören»,protestierte ein Handwerker. Er verstehe nicht, dass sich jemand ineinem islamischen Land durch den Ruf zum Gebet gestört fühlen kann.«Die Gläubigen erreichen die Moschee nicht mehr rechtzeitig», klagtauch ein Moschee-Angestellter: «Dadurch sind wir noch wenigergeworden.»

Das staatliche Amt für religiöse Angelegenheiten hat andereArgumente. «Wir wollen den Stimmenwirrwarr dicht beieinanderstehender Moscheen unterbinden», sagt ein Sprecher. Aber nicht nurdas: Der Behörde sind ebenso die «hässlichen Stimmen» vonungeschulten Gebetsrufern ein Dorn im Auge, die durch schepperndeLautsprecher nicht gerade besser werden.

Dass sich die Behörde für Fatih als eines von mehrerenPilotprojekten entschieden hat, kommt nicht von ungefähr. Der nachSultan Mehmet dem Eroberer («Fatih») benannte Stadtteil zählt allein110 Moscheen. Die kleinen und weniger bedeutenden, 65 an der Zahl,müssen künftig ohne Lautsprecher auskommen.

In der anatolischen Stadt Burdur und Umgebung sind die geistlichenBehörden noch einen Schritt weiter gegangen. Dort kommt der Ruf zumGebet vom Band. Dank eines zentralen Übertragungssystems klingt er inallen 120 Moscheen gleich. Und damit er auch schön klingt, wurden fürdie Aufzeichnung nur die Muezzine mit den besten Stimmen ausgewählt.