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Raumfahrt Raumfahrt: Gagarin war der erste Außerirdische

Von UWE SEIDENFADEN 08.04.2011, 18:52

Halle (Saale)/MZ. - Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für die Menschheit" - Die Worte von Neil Armstrong beim Betreten des Mondes hätte auch Juri Gagarin sagen können. Er tat es nicht. Im Moment des Abhebens seiner Rakete sagte er nur ein Wort: "Pojechali" - das heißt soviel wie "Auf geht's". Vieles mehr wurde zu jener Zeit von den politischen Redenschreibern in Moskau vertuscht oder frei erfunden, um keinen Schatten auf den Erfolg fallen zu lassen.

Erst eine Stunde nach dem Start Gagarins - er bereitete sich bereits auf den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre vor - gab die Moskauer Staatsführung die Startmeldung und die Funkfrequenz des Raumfahrers heraus. Das war notwendig, damit Funkamateure im Westen den Flug bestätigen konnten.

Von den dramatischen Ereignissen während der Landung auf russischem Territorium erfuhr die Öffentlichkeit erst über ein Vierteljahrhundert später. Die Landekapsel hatte sich nicht wie geplant vom Versorgungsmodul des Raumschiffs getrennt. Nur mit Glück verglühte Gagarin nicht wie eine Sternschnuppe in der Erdatmosphäre. Auch den Fakt, dass er in rund 8 000 Metern Höhe mit dem Schleudersitz seine Kapsel verlässt und an einem Fallschirm landet, verschweigt die Moskauer Propaganda.



Das Wagnis war sehr groß. Von sechs vorangegangenen Versuchen mit Hunden als Testpiloten waren nur die letzten beiden ein Erfolg. Zwei Missionen endeten tödlich und die anderen beiden Flüge überlebten die Tiere nur durch Zufall, erinnert Raumfahrtkonstrukteur Boris Tschertok in seinem Buch "Raketen und Menschen". Gagarin hatte mit Glück überlebt.

Nach seiner Rückkehr schickte die Moskauer Partei- und Staatsführung ihn auf diplomatische Reisen rund um die Welt - so wie später auch amerikanische Mondastronauten unterwegs waren. Der damals erst 27-jährige russische Bauernsohn machte seine Aufgabe besser als viele im Westen es erwartet hatten. Selbst die britische Königin war beeindruckt von seinem natürlichen Charme. Er war das freundliche Gesicht des Kommunismus, sprach von Frieden und Völkerfreundschaft. Als Mitglied des Obersten Sowjets der UdSSR und als Major der sowjetischen Armee forderte Gagarin die Übertragung militärischer Aufgaben an künftige Kosmonauten. Offiziell war er Atheist.

Nach dem Ende der Sowjetunion wurde bekannt, dass er getauft war. Er soll sich sogar für den Wiederaufbau der von Stalin zerstörten Christ-Erlöser-Kathedrale eingesetzt haben. Und er nahm sich der Probleme von einfachen Menschen an, die sich mit alltäglichen Sorgen an ihn wendeten. Offenbar war er auch einem Seitensprung nicht abgeneigt. Bei einem jener Abenteuer hatte er sich eine Narbe auf der Stirn zugezogen. Berauscht vom Krimsekt, war er beim Sprung vom Balkon der Wohnung einer Krankenschwester namens Anja in ein Weinspalier gestürzt, berichtet der deutsche Gagarin-Biograph Gerhard Kowalski im Buch "Die Gagarin-Story". Da die Narbe nicht zu übersehen war hieß es, er hätte sie sich beim übermütigen Spiel mit seinen Töchtern zugezogen.

Gagarin starb 1968 zusammen mit seinem Fluglehrer Wladimir Seregin beim Absturz eines Militärjets. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Die Ergebnisse gelangten aber erst vor wenigen Jahren an die Öffentlichkeit. Darin beschrieben sind eine Vielzahl von Mängeln. Die eigentliche Ursache des Unglücks konnte allerdings nicht ermittelt werden.

In Internetforen kursieren bis heute Spekulationen über ein Komplott des Geheimdienstes KGB und über eine Entführung des ersten Kosmonauten durch Außerirdische. Neben zahlreichen Denkmalen in den ehemaligen GUS-Staaten erinnern ein 280 Kilometer großer Mondkrater, ein 1968 entdeckter Kleinplanet und nicht zuletzt die "Juri-Nights" - die alljährlich am 12. April rund um den Globus veranstalteten Dance-Nächte - an den ersten Kosmonauten.

Kein Raumfahrer, der vom russischen Boden aus ins All startet, der an Gagarin nicht vorbeikommt - vom Eintrag ins Gästebuch des Gagarin-Museums bis zur Gagarin-Pinkelpause während der Busfahrt zum Raketenstartplatz im Baikonur. Dieses letzte Ritual allerdings bleibt wenigstens den Kosmonautinnen erspart.