Raab gegen Pechstein Raab gegen Pechstein: Die Rutschpartie des ProSieben-Entertainers

Hamburg/Berlin/dpa. - Stefan Raab begibt sich gerne in Gefahr - und zu diesem Zweck dieses Mal aufs Eis. Die Gegnerin im Schaulaufen «Mundwerk gegen Kufen-Kunst» ist am Donnerstag (4. April) um 22.15 Uhr in Berlin keine Geringere als Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein. 1000 Meter Vorsprung bekommt Raab, um auf der Distanz von 3000 Metern noch eine Chance gegen die Athletin zu haben. Für Raab steht aber mehr als Sieg oder Niederlage gegen die Goldmedaillengewinnerin auf dem Spiel. Für den 35-Jährigengeht es bei diesem werbewirksamen Gag darum, endlich dem Quotentief seiner ProSieben-Show «TV Total» und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen für ProSieben und die Produktionsfirma Brainpool zu entrinnen - Raab ist nach Einschätzung von Beobachtern tatsächlich in Gefahr.
Das Fernsehen ist für den Dauer-Blödelbarden längst zurRutschpartie geworden. Auf dem glatten Parkett ist der gelernte Metzger häufiger als ihm und seiner PR-Maschinierie recht sein kann ausgerutscht. Das letzte Warnsignal gab in der vergangenen Woche derProSieben-Vermarkter SevenOne Media aus, der die Werbespotpreise wiederum, dieses Mal zwischen 17 und 25 Prozent, senkte. Der Grund waren die Marktanteile von «TV Total», die zum Teil deutlich unter die 15-Prozent-Marke abgebröckelt waren. Noch vor gut einem Jahr hatte der Entertainer im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» verkündet,alle Werte über 16 Prozent seien ein «voller Erfolg».
Von Misere will beim Münchner Privatsender, der momentan dieWirren um seinen Gesellschafter Leo Kirch aushalten muss und dem möglichen Einstieg eines Silvio Berlusconi oder eines Rupert Murdoch entgegenzittert, niemand etwas wissen. «Es gibt immer ups und downs», sagt ein Sprecher. «Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir mitStefan Raab bei 20 Prozent lagen. Und zuletzt hatten wir wieder einen Aufwärtstrend zu verzeichnen.» Über die künftige Zusammenarbeit mit Raab lässt der Sender samt Geschäftsführer Nicolas Paalzow («Ich halte Stefan Raab nach wie vor für einen Ausnahmekünstler.») keinen Zweifel. Doch es hat den Anschein, als könnte Raab in nicht allzuferner Zukunft aussteigen. Anfang 2001 kündigte er an, Ende 2003 Schluss zu machen mit dem Medium, dann um die Welt zu segeln oder wieder Würstchen zu machen.
Bis dahin muss Raab jedoch noch Kleinkriege beenden, die das Image und das Portemonnaie belasten. Mit RTL führtRaabs Produktionsfirma Brainpool einen Rechtsstreit um die Verwendung von RTL-Bildern in «TV Total». Raab beharrt darauf, die Bilder für «Collagen» und satirische Zwecke unentgeltlich zu nutzen. Der Kölner Privatsender, der inzwischen fast 1,4 Millionen Euro von Brainpool fordert, will für den «Bilderklau» Geld sehen. An einer anderen Frontfordert eine Kölnerin 2500 Euro Schmerzensgeld, weil Raabs Praktikant Elton die Dame in der Raab-Rubrik «Bimmel Bingo» aus dem Schlaf gerissen, gefilmt und all dies ohne schriftliches Einverständnis in seiner Show gezeigt hat. Auch Kanzler Gerhard Schröder wartet noch auf 160 000 Euro aus dem CD-Erlös («Hol mir mal 'ne Flasche Bier») zuGunsten einer wohltätigen Organisation.
Kritiker bemängeln, sein Humor sei nicht vielseitig genug, um (seit Februar 2001) vier Sendungen in der Woche zu füllen. An einen Harald Schmidt mit humanistischer Bildung und «höheremintellektuellen Format» reiche er nicht heran. Und im Gegensatz zu Schmidt attackiere Raab auch wehrlose Zeitgenossen. Auch spektakuläre Einfälle wie seine Teilnahme am Grand-Prix garantieren Raab nicht die ewige Liebe des Publikums oder gar der Kritiker: SAT.1-Talker Schmidt hat sich auf seine Art von dem Emporkömmling aus Köln abgesetzt. Weil er nach den Anschlägen vom September zwei Wochen pausierte und mit Fingerspitzengefühl wieder an sein Werk ging, verdiente sich Schmidt den Grimme-Preis 2002, auf den inzwischen auch schon Privatsender schielen - Stefan Raab stand gar nicht zur Wahl. Er ging bereits eine knappe Woche nach den Ereignissen in den USA auf Sendung und wirkte gehemmt.