1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Psychologie: Psychologie: Ein Blick hinter die Fassade

Psychologie Psychologie: Ein Blick hinter die Fassade

Von NICOLA MENKE 05.08.2011, 07:31

KÖLN/DPA. - Die Kollegin hat panische Angst vorm Chef, die Schwester ist mit ihren Kindern komplett überfordert, der Freund fühlt sich vernachlässigt. Oft weiß man gar nicht, was in den Menschen um uns herum vorgeht, halten sie vielleicht für zufriedener und glücklicher als sie es sind. Doch woran liegt das? Spielen sie den anderen etwas vor oder schauen die einfach nicht genau genug hin?

"Grundsätzlich gilt, dass kaum einer seine Gefühle immer offen vor sich herträgt", sagt Peter Groß vom Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Vielmehr gebe es die Tendenz, sie zu verbergen. Man überspielt zum Beispiel schlechte Laune, um ein Fest nicht zu verderben, oder gibt trotz Nervenflattern den Fels in der Brandung, um gegenüber dem Chef gut dazustehen.

"Oft entspringt die Verstellung dem Wunsch, sich sozial wünschenswert zu verhalten oder einer Rollenerwartung zu entsprechen - zum Beispiel der des immer stabilen, verlässlichen Mitarbeiters", so Dieter Frey, Professor für Sozialpsychologie an der Uni München. Inwieweit man die Maskerade durchschaut, hängt nicht nur davon ab, ob die Person ein guter Schauspieler ist, sondern auch von einem selbst: "Genauso wie Menschen unterschiedlich gut darin sind, sich zu verstellen, ist auch ihr Einfühlungsvermögen unterschiedlich ausgeprägt", so Frey.

"Man kann seine Sensibilität aber durchaus schulen", erklärt Fritz Strack, Psychologie-Professor an der Uni Würzburg. Damit der Blick hinter die Fassade gelingt, sei es wichtig, die volle Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber zu richten. "Es gilt, das Verhalten zu beobachten, genauso wie seine Mimik und Gestik", erklärt er. Und man müsse ihm genau zuhören.

Anhand kleiner, oft unterbewusster Signale lassen sich sogar bei eher verschlossenen Personen Rückschlüsse darauf ziehen, was sie beschäftigt. So weise etwa bei jemandem, der vorgibt, völlig ruhig zu sein, eine angespannte Körperhaltung darauf hin, dass dem nicht so ist.

Neben nonverbalen Hinweisen sind es oft Veränderungen oder Auffälligkeiten im Verhalten einer Person, die darauf hindeuten, dass sie etwas beschäftigt. Dazu gehören Einsilbigkeit, sozialer Rückzug, leichte Reizbarkeit oder ein auffälliger Leistungsabfall.

Nimmt man an, dass jemand mit etwas zu kämpfen hat und will erfahren, was es ist, sollte man sich vorsichtig herantasten. "Es empfiehlt sich, differenziert zu beobachten: Unter welchen Bedingungen explodiert jemand, wann reagiert er empfindlich, wann schweigt er?", rät Dieter Frey. So könne man Zusammenhänge entdecken und eine Ahnung davon entwickeln, was ihn beschäftigt.

Da es trotz allem bei Mutmaßungen bleibt, hilft aber letztlich nur nachfragen. Am besten geht man dabei ruhig und diplomatisch vor und signalisiert Interesse am Wohlbefinden der anderen Person. Etwa: "Ich mache mir Sorgen, weil du in letzter Zeit so abwesend wirkst." Ist die Antwort darauf Schweigen oder ein unbefriedigendes "Mit mir ist nichts", kann man nachhaken, sollte das Gegenüber aber nicht zu sehr in die Enge treiben. "Besser ist es, das Gespräch zu vertagen und zu einem anderen Zeitpunkt wieder auf die Problematik zu sprechen zu kommen", erklärt Dieter Frey.