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Urteilsverkündung  Prozess Silvio S.: Mohameds Mutter will auf Silvio S. zustürmen "was hast du mit meinem Kind gemacht?

Von Katrin Bischoff 26.07.2016, 11:45
Aldiana J., die Mutter von Mohamed, bei der Urteilsbegründung vor Gericht.
Aldiana J., die Mutter von Mohamed, bei der Urteilsbegründung vor Gericht. AFP

Für die Morde an den kleinen Jungen Elias und Mohamed ist Silvio S. zur Höchststrafe verurteilt worden. Das Landgericht Potsdam verhängte am Dienstag lebenslange Haft und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.

Damit kann Silvio S. nicht nach 15 verbüßten Haftjahren einen Antrag auf vorzeitig Entlassung auf Bewährung stellen. Eine anschließende Sicherungsverwahrung verhängte der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter nicht.

Lebenslange Haft ist die höchste Strafe in Deutschland. Sie kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Wird der Antrag eines Verurteilten auf Aussetzung der Reststrafe abgelehnt, kann er alle zwei Jahre neu gestellt werden.

Wenn das Gericht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, kann der Täter allerdings nur in Ausnahmefällen - etwa bei hohem Alter oder schwerer Krankheit - nach 15 Jahren freikommen.

Eine besondere Schwere der Schuld kann vorliegen, wenn die Tat besonders verwerflich war, der Täter sehr brutal und grausam vorgegangen ist oder dem Opfer große Qualen zufügt hat.

Die Staatsanwaltschaft hat im Fall des mutmaßlichen Kindermörders Silvio S. lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beantragt. Außerdem soll das Landgericht Potsdam nach Forderung der Anklage Sicherungsverwahrung aussprechen. (dpa)

"Vorsätzlich in der Absicht getötet, die vorausgegangenen Straftaten zu verdecken"

"Sie haben zwei Kinder entführt, ihrer Freiheit beraubt, sexuell missbraucht und nach unserer Erkenntnis vorsätzlich in der Absicht getötet, die vorausgegangenen Straftaten zu verdecken", sagte der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter am Dienstag zur Begründung. Er zeichnet das Leben des Angeklagten nach und schlussfolgert: "Sie führten ein zurückgezogenes, einsames und freudloses Leben."

Horstkötter sprach in der Urteilsbegründung auch über Silvio S.‘ Sehnsucht nach „körperlicher Nähe und nach Sexualität mit einer Frau“. Er habe sich nach einer Familie und nach Kindern gesehnt. „Das fanden sie nicht. Sie schufen sich eine Traum- oder Fantasiewelt." Es seien Puppen gefunden worden, die  wie echte Kleinkinder wirkten. Silvio S. habe Porträts von kleinen Kindern aus Zeitung ausgeschnitten aber auch von Frauen mit Kindern.

Der Angeklagte Silvio S. wird wegen Mordes in zwei Fällen in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger und sexuellen Misbrauch verurteilt. Die Schuld wiegt besonders schwer.

"Du bist ein Arschloch, was hast Du mit meinem Kind gemacht"

Als der Richter auf den Mord des kleinen Mohamed zu sprechen kommt, den Missbrauch des Jungen und dessen Tod erläutert, steht kurz vor 12 Uhr die Mutter Mohameds auf. Aldiana J. sieht zunächst aus, als wolle sie den Gerichtssaal ruhig verlassen.

Doch kurz vor der Tür bricht sie in Tränen aus, schreit den Angeklagten an: "Du bist ein Arschloch, was hast Du mit meinem Kind gemacht."

Die Anwälte springen auf, versuchen, die aufgebrachte Frau zu beruhigen. Sie führen die 29-Jährige hinaus. Silvio S. hält den Kopf gesenkt, wischt sich die Tränen aus den Augen.

Richter würdigt Verhalten der Mutter von Silvio S.

Der Vorsitzende Richter würdigte das Verhalten der Mutter von Silvio S., die ihren Sohn auf dem Fahndungsfoto der Polizei erkannt und die Polizei alarmiert hatte. "Es nötigt großen Respekt ab, dass ihre Mutter sich an die Polizei wandte", sagt Horstkötter. Man müsse der Mutter großen Respekt zollen, dass sie der Polizei erklärt habe, dass sich ihre Sohn schwerster Straftaten schuldig gemacht habe.

Silvio S. ist nicht pädophil

Horstkötter betont in der Urteilsbegründung, dass der Angeklagte weder pädophil noch sadomasochistisch veranlagt sei. Es gebe keine krankhafte seelische Störung. "Sie haben zwei Jungen als Opfer gewählt, weil von diesen hilflosen und körperlich völlig unterlegenen Kindern keine Gegenwehr zu erwarten war. Damit sind sie einfach über die Grenzen gegangen."

Zum Schluss fasste Horstkötter zusammen, was für und was gegen den Angeklagten gesprochen haben. Für Silvio S. sei das Geständnis im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zu werden - ein umfangreiches Geständnis. Zudem habe Silvio S. auch auf die Tötung von Elias hingewiesen und damit einen Aufklärungsbeitrag geleistet.

In seinen letzten Worten habe der Angeklagte zudem Reue und Unrechteinsicht gezeigt. Er sei nicht vorbestraft und habe bis zur Verhaftung sozial integriertes Leben geführt - trotz aller Schwierigkeiten.

"Sie haben den beiden Kindern die Unschuld geraubt"

Gegen den Angeklagten sprächen jedoch ganz gewichtige Gründe: die bis ins letzte detaillierte Tatplanung, die äußerst verwerflichen Umstände der den Tötungen vorangegangenen Taten. "Sie haben den beiden Kindern die Unschuld geraubt, den Glauben an das Gute im Menschen", sagt Horstkötter.

Die Kinder hätten Todesängste ausgestanden, sie seien über Stunden hinweg massiv missbraucht worden. Silvio S. sei rücksichtslos vorgegangen, es könne dem Angeklagten nicht entgangen sein, dass die Kinder um Gnade gebettelt haben.

"Sie haben ihre sexuelle Befriedigung über alles gestellt", erklärt der Vorsitzende Richter. Besonders schwer wiege, dass  Silvio S.  zwei Morde begangen habe. "Sie haben zwei Menschenleben ausgelöscht", sagt Horstkötter. Diese Taten könnten nur dadurch gesühnt werden, dass das Gericht die besondere Schwere der Schuld anerkenne.

40.000 Euro Schmerzensgeld

Das Gericht hält ein Schmerzensgeld für den getöteten Mohamed von 40.000 Euro angemessen. Der Junge habe zweimal Todesängste ausstehen müssen, sagt Horstkötter. Von diesen 40.000 Euro gingen nach der Erbrechtsfolge 20.000 Euro auf die Mutter des Kindes über.

Großer Andrang vor dem Potsdamer Landgericht

Am Tag der Urteilsverkündigung herrschte bereits am Morgen großer Andrang am Landgericht in Potsdam.

Der 33 Jahre alte Angeklagte hatte im Verfahren zu den Vorwürfen geschwiegen und sich erst ganz am Ende mit einer kurzen Erklärung an die Hinterbliebenen gewandt. „Es gibt kein Wort auf der Welt, das beschreiben könnte, wie leid es mir tut. Wenn ich es ungeschehen machen könnte, würde ich es tun. Ich selbst aber kann mir das nicht verzeihen.“

Konkrete Angaben zu den Vorwürfen machte Silvio S. im Prozess nicht. Damit bleiben viele Fragen offen. Besonders zu den letzten Stunden von Elias hatte sich das Gericht mehr Aufklärung erhofft.

Der 33-Jährige war Ende Oktober festgenommen worden. Die Mutter des Angeklagten hatte ihren Sohn auf Bildern von einer Überwachungskamera erkannt. (mit dpa)