Prozess Prozess: Lebenslange Haft im Dresdner Mordfall Adolph
Dresden/dpa. - Richter Werner Stotz billigte dem Angeklagten ein«Augenblicksversagen» zu. Darum sei auch keine besondersschwere Schuld feststellbar. «Er ist kein erbarmungsloser Killer.»Vielmehr sei er ein Mensch, der «in unfassbarer Weise eine ihm sonstwesensfremde Tat verübte». Scheinbar ungerührt verfolgte derAngeklagte Urteilsspruch und Begründung.
Dagegen brach die als Nebenklägerin auftretende Schwester desErmordeten, Bärbel Golze, in Tränen aus. Im weiteren Verlauf derknapp zweistündigen Ausführungen wirkte sie dann gelöst, zeigte sich«zufrieden». «Ich danke dem Herrgott, dass Aufklärung möglich wurde»,sagte die in Lübeck lebende Frau. «Erleichterung» auch bei derevangelischen Landeskirche. «Endlich ist die Tat aus schrecklichemDunkel geholt», sagte Sprecher Matthias Oelke. Mitarbeiter derKirchenbehörde hatten dem Prozess beigewohnt.
Allerdings - trotz Aufklärung bleiben auch nach einem halbenVerhandlungsjahr Fragen. Richter Stotz widmete darum den Großteil derUrteilsbegründung Erläuterungen zu Tatversionen und Spurenlage.Besonders letztere sei dürftig. Es gebe nicht nur keine Zeugen. Einpaar Munitionsteile und ein Fingerabdruck des Angeklagten am Auto derAdolphs gehörten zur kargen Ausbeute der Ermittler. Nur der Stummeleiner Zigarette mit Speichelresten führte schließlich zum Täter.
Was den Mann mit krimineller Vergangenheit und fünfzehneinhalbJahren Hafterfahrung letztendlich überführte, waren auch dessenStorys zu angeblichen Mittätern. Demnach wollte er die späterenTatwaffen über zwei «schwere Jungs» der Dresdner Szene versilbern.Für Probeschüsse ging's in den Moritzburger Forst. Angeblich drehteeiner der Gangster durch, als das Trio von den Adolphs erwischtwurde. So die Hauptversion.
In Variation waren es mal ein Schütze, mal zwei. Auch er, so derAngeklagte, sei Sekunden darauf bedroht worden. Die Pistole habejedoch versagt. Mal wegen eines leeren Magazins, mal wegenLadehemmung. Das aber glaubte ihm das Gericht nicht. «Was Sie uns dapräsentierten, ist der Wurf eines Gangsterbosses mitWattebäuschchen», sagte Richter Stotz. Einen Zeugen laufen lassen -so reagiere kein Bandenchef nach einem Doppelmord.
Ebenso wenig mochte das Gericht Argumenten der Verteidigungfolgen, wonach der 1,63 Meter große Täter für einige der Schüsse zuklein sei. Den Antrag, dies durch ein medizinisches Gutachten prüfenzu lassen, lehnte das Gericht ab.
Verteidiger Jürgen Saupe: «Das Urteil hat mich nicht überzeugt. Esgibt auf viele Fragen keine Antwort.» Er kündigte Revision an. AuchOberstaatsanwaltschaft Claus Bogner «freute» sich zwar. Aber seinAnklagevertreter Dieter Kiecke räumte ein, dass nicht alleEinzelheiten beweisbar waren. Stasi, Drogenbande, Kunstmafia - wildeGerüchte zu Tatmotiven bestätigten sich nicht.