Prozess Prozess: Das «Kellerkind» von Hamminkeln

Duisburg/dapd. - Wegengemeinschaftlich begangener Misshandlung Schutzbefohlener solltensowohl die leibliche Mutter als auch der Stiefvater des Kindes dreiJahre in Haft, sagte die zuständige Staatsanwältin am Dienstag inihrem Plädoyer vor dem Duisburger Landgericht. Die Verteidigerforderten für ihre Mandanten milde Strafen, die zur Bewährungausgesetzt werden sollten.
Der damals siebenjährige Junge war im September 2010 nackt ausdem dunklen Keller der Familie im niederrheinischen Hamminkelnbefreit worden. Nachbarn hatten die Polizei verständigt, weil siegesehen hatten, dass die Eltern mit ihren beiden gemeinsamenKindern, aber ohne den Jungen weggefahren waren.
Die Staatsanwaltschaft sprach in ihrem Plädoyer von einer«Vielzahl von Fällen», in denen der Junge über eineinhalb Jahrehinweg immer wieder im Keller eingesperrt und angewiesen worden sei,sich dort auszuziehen. Darüber hinaus soll es zu mehreren weiterenZwischenfällen gekommen sein. So soll der Stiefvater dem Jungen etwaeine Pistole an den Kopf gehalten oder ihn mit einer Spinneverängstigt haben. Die Mutter soll ihn in der Silvesternacht 2009über einen Zaun geworfen haben.
Die Staatsanwaltschaft bemängelte, dass die Angeklagten nur imgeringen Umfang geständig seien. Obwohl ihr bewusst sei, dass nochzwei Kinder im Haushalt der Angeklagten lebten, dürfe keine zugeringe Strafe verhängt werden, forderte die Staatsanwältin. Alsstrafmildernd führte sie an, dass beide Angeklagte nicht vorbestraftseien.
Die Verteidiger sagten, ihre Mandanten seien mit der Situationüberfordert gewesen. Die Erziehung des nicht immer einfachen Kindesund ein «Bespitzelungsklima» in der Nachbarschaft hätten sie enormunter Druck gesetzt. Das Gericht solle im Strafmaß dieKooperationsbereitschaft der Angeklagten und die Länge derErmittlungen berücksichtigen. Durch das sich hinziehende Verfahrenund die öffentliche Beachtung des Falls habe nicht nur derStiefvater eine ihm in Aussicht gestellte Arbeit nicht annehmenkönnen. Die Familie habe auch umziehen und über Monate hinweg mitunsicheren Perspektiven leben müssen.
Der Stiefvater selbst sagte nach den Plädoyers mittränenerstickter Stimme, er stehe zu Recht vor Gericht. Er habe aberniemals aus Hass oder Niedertracht gehandelt. Die Mutter sagteebenfalls unter Tränen, sie habe nie etwas Schlechtes für ihren Sohngewollt. «Ich verstehe selbst nicht mehr, warum ich so blöd war undmich verschlossen habe, statt Hilfe zu holen.»