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Prozess Prozess: Bruchpilot erhält sechs Monate Bewährungshaft

11.05.2004, 15:16
Vor Beginn der Verhandlung im Amtsgericht in Hannover steht der 59 Jahre alte Wolfgang Arminger in der Anklagebank (Archivfoto vom 04.05.2004). Der Pilot eines Hapag-Lloyd-Ferienfliegers ist vier Jahre nach einer Bruchlandung in Wien zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er habe sich des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr schuldig gemacht, sagte Richterin Renata Bürgel am Dienstag (11.05.2004) vor dem Amtsgericht Hannover. Der 59-Jährige hatte die Maschine mit 142 Urlaubern im Sommer 2000 praktisch bis auf den letzten Tropfen Treibstoff leer geflogen. Die Maschine musste im Segelflug notlanden. 13 Menschen waren leicht verletzt worden. (Foto: dpa)
Vor Beginn der Verhandlung im Amtsgericht in Hannover steht der 59 Jahre alte Wolfgang Arminger in der Anklagebank (Archivfoto vom 04.05.2004). Der Pilot eines Hapag-Lloyd-Ferienfliegers ist vier Jahre nach einer Bruchlandung in Wien zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er habe sich des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr schuldig gemacht, sagte Richterin Renata Bürgel am Dienstag (11.05.2004) vor dem Amtsgericht Hannover. Der 59-Jährige hatte die Maschine mit 142 Urlaubern im Sommer 2000 praktisch bis auf den letzten Tropfen Treibstoff leer geflogen. Die Maschine musste im Segelflug notlanden. 13 Menschen waren leicht verletzt worden. (Foto: dpa) dpa

Hannover/dpa. - Die lange Karriere eines früheren Hapag-Lloyd-Piloten ist mit einem Schuldspruch unrühmlich zu Ende gegangen. Fast 40 Jahre lang flog er unfallfrei - bis er am 12. Juli 2000 mit einem Urlauber-Jet in Wien im Segelflug notlanden musste. Der Treibstoff war restlos aufgebraucht. Das Amtsgericht Hannoververurteilte den 59-Jährigen am Dienstag zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Richterin Renata Bürgel hatte keine Zweifel, dass er die Beinahe-Katastrophe verschuldet und das Leben von 150 Menschen aufs Spiel gesetzt hat. «Die Notlandung führte auch zur Bruchlandung ihres eigenen Berufslebens», sagte sie.

Schon in Höhe der kroatischen Haupstadt Zagreb blinkten an BordNotleuchten auf, der Treibstoff ging zur Neige. Dennoch schlug dererfahrene Flugkapitän die Bedenken seines jungen Co-Piloten in denWind. Der 59-Jährige hatte sich praktisch blind auf das so genannteFlight Management System (FMS) verlassen. Das jedoch lieferte keinekorrekten Daten mehr zum Treibstoffverbrauch. «Wenn sich so einedramatische Situation abzeichnet, kann man sich nicht allein auf dieTechnik verlassen», sagte Richterin Bürgel.

Nach Meinung des Gerichts hätte der Pilot selbst denTreibstoffverbrauch berechnen und dann viel früher den Notruf«Mayday» absetzten müssen. Nach dem Start des Airbus 310 hatte sichdas rechte Fahrwerk nicht mehr einziehen lassen, derTreibstoffverbrauch erhöhte sich drastisch. Das berücksichtigte dasFMS jedoch nicht. Der Pilot sagte, dass er sich über diesen Mangeldes Comptersystems nicht im Klaren war. Sein Verteidiger Rainer Hammbezeichnete das FMS als «Falle».

Dass der Pilot nicht bereits Zagreb oder auch Graz angesteuerthatte, nannte der ehemalige Flottenchef von Hapag Lloyd, EckartFederhehn, «bar jeder fliegerischen Vernunft». Der sachverständigeGutachter Christian-Heinz-Schubert hatte als Erklärung nur einen«Tunnelblick» des Piloten als mögliche Erklärung. «Wenn man in Stresskommt, kann es passieren, dass man sich auf einen Punkt fixiert. Dasist einfach menschlich.» Fast 90 Prozent aller Unfälle im Flugverkehrberuhten auf menschlichen Fehlern, sagte Schubert.

Nach der Bruchlandung war der Airbus nur noch Schrott, es entstandein Schaden von 20 Millionen US-Dollar. 13 Passagiere erlittenleichte Verletzungen. Schlimmer jedoch sind Spätfolgen des Unglücksfür die Urlauber gewesen. Zwei Zeuginnen hatten ausgesagt, dass siedamals Todesangst hatten. «Ich habe damals gedacht: "Das warsjetzt!", sagte eine 45-Jährige. Sie habe ein halbes Jahr gebraucht,um die Bruchlandung halbwegs zu verarbeiten.

Für den Piloten ging es bei dem Prozess vor allem um seine Ehre.Zwar verfolgte er den Prozess äußerlich fast regungslos, doch seineAnspannung und Konzentration waren an jedem Prozesstag spürbar.Innerlich schien er einen Schuldspruch niemals akzeptieren zu wollen.Dem Mann wurde die Lizenz entzogen, Hapag Lloyd schickte ihn in denvorzeitigen Ruhestand. Verteidiger Hamm sagte: «Wir werden das Urteilwahrscheinlich anfechten.»