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Prozess Prozess: Berliner Bus-Entführer stellt sich selbst als Opfer dar

13.05.2004, 11:58
Der Bankräuber Dieter Wurm sitzt am Donnerstag (13.05.2004) im Landgericht in Berlin vor dem Prozessauftakt zu seiner Geiselnahme in einem Doppeldecker-Bus auf der Anklagebank. Der 47-Jährige soll den Bus mit rund zehn Fahrgästen am 11. April 2003 nach einem Banküberfall im Bezirk Steglitz in seine Gewalt gebracht haben. (Foto: dpa)
Der Bankräuber Dieter Wurm sitzt am Donnerstag (13.05.2004) im Landgericht in Berlin vor dem Prozessauftakt zu seiner Geiselnahme in einem Doppeldecker-Bus auf der Anklagebank. Der 47-Jährige soll den Bus mit rund zehn Fahrgästen am 11. April 2003 nach einem Banküberfall im Bezirk Steglitz in seine Gewalt gebracht haben. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - 13 Monate nach der Geiselnahme in einem Berliner Doppeldecker-Bus hat sich der Angeklagte bei seinem Geständnis zu Prozessbeginn als Opfer darzustellen versucht. Vor dem BerlinerLandgericht warf der bereits verurteilte Bankräuber Dieter Wurm am Donnerstag der Polizei eine Mitschuld an der Eskalation derEntführung vor: «Ich wollte nur fliehen.» Verhandlungen mit denBeamten seien nicht möglich gewesen, er sei «wie ein Idiot» behandelt worden.

Bei dem Banküberfall am 11. April 2003 sei er lediglich «Helfer»gewesen, sagte der 47-Jährige. Der Haupttäter sei ein frühererMithäftling gewesen, der noch auf freiem Fuß ist. Dessen Namen wollteer aber nicht nennen.

Nach dem Überfall hatte Wurm den Bus samt Fahrgästen gekapert. DieIrrfahrt des Geiselnehmers hatte Berlin über Stunden in Atemgehalten. Als ihn Fahnder Stunden später überwältigten, wurde Wurmangeschossen. Die beiden letzten Geiseln, eine Polizistin und einJournalist, blieben unverletzt. Bei dem Prozess vertritt der PDS-Politiker Gregor Gysi als Anwalt der Nebenklage den Busfahrer.

Wurm, der aus Westfalen stammt und in der kriminellen Szene«Skorpion» heißt, ist bereits einschlägig vorbestraft und hat 17Jahre Gefängnis hinter sich. Mehrmals floh er aus der Haft undüberfiel dabei Banken. Als Motiv für den erneuten Bankraub nannte er«wahnsinnige Geldprobleme». Seinen Job als Fahrgastbetreuer bei derBerliner S-Bahn habe er verloren, nachdem ein Artikel über seineVergangenheit erschienen sei. «Meine Idylle - die eigene Wohnung nachall den Jahren Knast - war massiv bedroht», sagte Wurm.

Nach dem Überfall habe er ungeheure Angst gehabt, verprügelt zuwerden. Wäre er eine Sekunde später überwältigt worden, hätte er sichselbst eine Kugel ins Herz gejagt. Die Geiselnahme sei ihm eine Lastgewesen. «Ich wollte die Leute loswerden», gab Wurm zu Protokoll.Überraschend hätten nicht alle den Bus verlassen, als er bei einemStopp zum Aussteigen aufforderte. Die Geiseln wurden dann nach undnach frei gelassen.

Bei den Geiseln habe sich Wurm inzwischen entschuldigt. Ihm seibewusst, dass er die Fahrgäste in ungeheure Angst versetzt habe.Einem Mann habe er heimlich 4500 Euro aus der Beute zugesteckt, weiler ihm Leid getan habe. Zum Tatzeitpunkt war Wurm auf Bewährung frei.Aus Sicht seines Anwalts Hubert Rösler war die Tat ein «krasserAusrutscher».