Bahn Pro Bahn fordert: Mehr Bahnstrecken reaktivieren
Um klimafreundlicher unterwegs zu sein, setzen viele auf die Bahn. Daher wird überlegt, alte Bahnstrecken wieder zu beleben, auch in Niedersachsen. Aber die Bemühungen seien „unzureichend“, kritisiert Pro Bahn - und sieht mehrere Gründe dafür.

Oldenburg - Im Kampf gegen den Klimawandel stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren: Der Fahrgastverband Pro Bahn hat von der künftigen niedersächsischen Landesregierung ein entsprechendes Sofortprogramm gefordert. Die bisherigen Bemühungen im Land, Bahnstrecken zu reaktivieren, seien „leider unzureichend und eignen sich keinesfalls zur Bewältigung der Verkehrswende“, teilte der Verband am Sonntag mit. In Niedersachsen wird am 9. Oktober gewählt.
In den vergangenen fünf Jahren seien landesweit nur zwei Bahnstrecken von insgesamt etwa 30 Kilometern Länge reaktiviert worden, beklagte Pro-Bahn-Landeschef Malte Diehl. Dies seien die Strecken Bad Bentheim-Nordhorn-Neuenhaus und die Stichstrecke nach Einbeck. „Wie soll in diesem Tempo eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030, die von der Politik gewünscht wird und umweltpolitisch dringend nötig ist, gelingen?“, fragte er.
Dabei lohnt sich die Wiederbelebung stillgelegter Bahnstrecken einer Studie zufolge in vielen ländlichen Regionen Deutschlands: Die Hürden etwa für eine Genehmigung seien aber hoch, fand ein Forscherteam im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) heraus, wie Anfang August bekannt wurde. Zu häufig werde nur mit dem direkten finanziellen Nutzen argumentiert. Der Studie zufolge könnten mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland dank reaktivierter Bahnstrecken besser ins nächste regionale Zentrum kommen.
Seit 1994 wurden der Studie zufolge mehr als 5100 Kilometer Bahnstrecke in Deutschland stillgelegt - und nur etwas mehr als 1000 Kilometer reaktiviert. 2019 sei das Eisenbahnnetz um 16 Prozent kleiner gewesen als 1950. Die Deutsche Bahn stellte im vergangenen Jahr 20 neue Reaktivierungsprojekte für die kommenden Jahre vor - zusammen haben diese eine Länge von knapp 250 Kilometern. Der Interessenverband Allianz pro Schiene dagegen kritisiert seit Jahren mangelndes Tempo bei der Wiederinbetriebnahme stillgelegter Strecken.
„Hinter den mageren Ergebnissen stecken zwei Dinge: mangelnder Ehrgeiz der jetzigen Landespolitik und überbordende Bürokratie in Verbindung mit bundesweit allzu knappen Planungs- und Umsetzungskapazitäten“, erklärte Diehl. „Wir wünschen uns, dass die neue Landesregierung die bereits beschlossenen und weitere sinnvolle Vorhaben entschiedener als bisher vorantreibt.“ Auch sprach er sich für unkonventionelle Wege zur Beschleunigung aus: Neue Halte könnten von Drittfirmen statt der Deutschen Bahn gebaut werden.
Bei der Streckenreaktivierungen im Personenverkehr forderte Pro Bahn, die begonnen Projekte Hamburg-Harburg-Maschen-Buchholz, Salzgitter-Lebenstedt-Salzgitter-Fredenberg und Neuenhaus-Coevorden umzusetzen. Weitere Strecken wie Lüneburg-Amelinghausen-Soltau oder Rinteln-Stadthagen seien zudem geeignet. Außerdem forderte der Verband, bereits zugesagte neue Haltepunkte einzurichten.
Alle reaktivierten Strecken und neuen Halte müssten mindestens stündlich bedient werden, sagte Diehl: „Ein Stundentakt von früh bis spät an allen Wochentagen ist das absolute Minimum für einen annehmbaren öffentlichen Nahverkehr. Besser noch wäre, gerade in der Nähe von Mittel- und Oberzentren, ein ganztägiger Halbstundentakt.“