Roxy Music machte ihn berühmt Popikone Bryan Ferry wird 80 und möchte nicht mehr singen
Als Frontmann von Roxy Music und als Solokünstler feierte Bryan Ferry große Erfolge. Mit 80 Jahren will er zwar weiter Musik machen, doch seine Stimme wird man dabei voraussichtlich kaum hören.

London - Er ist Rockstar, Crooner und Dandy. Mit Roxy Music und Songs wie „Love Is The Drug“ oder „Avalon“ prägte Bryan Ferry die Popmusik der 70er und 80er Jahre maßgeblich. Als Solokünstler war er mit Hits wie „Slave To Love“ ähnlich erfolgreich. Von extravagantem Artrock über geschmeidigen Pop bis hin zu nostalgischen Klängen im Stil der 30er Jahre – Ferry kann alles. Zuletzt veröffentlichte er sogar Alben, auf denen er nicht sang. Am 26. September wird das britische Pop-Genie 80 Jahre alt.
Ferry: „Ich wollte Maler werden“
Eine Karriere als Musiker hat Ferry, der 1945 in der englischen Kleinstadt Washington nahe Newcastle als Sohn einer Arbeiterfamilie zur Welt kam, zunächst nicht im Sinn. „Oh nein, ich wollte Maler werden“, sagt er im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Aber dann trampt er für ein Konzert der Soulikonen Otis Redding und Sam & Dave nach London und ist hin und weg.
„Es klang unglaublich, sie sahen fantastisch aus, so viel Energie“, erinnert sich Ferry. „Das Publikum liebte es. Da dachte ich: Das muss ich versuchen. Mir gefiel diese Körperlichkeit der Musik und des Publikums. Also begann ich, Songs zu schreiben, und als ich Roxy gründete, dachte ich plötzlich: Das ist meine Kunst, Bilder mit Songs schaffen.“
Aus der 1970 gegründeten Band Roxy wird später Roxy Music. Ferry sagt heute noch meistens nur Roxy. Der Name stammt von einem Kino. Alte Filmklassiker, der Film noir und die sogenannte goldene Hollywood-Ära sind eine Passion des Nostalgikers. Bei seiner Arbeit lässt er sich davon inspirieren. „Alles baut auf Dingen auf, die ich seit meiner Kindheit liebe. Ich schaue gern alte Filme, wie etwa "Dancing in the Dark" mit Fred Astaire“, schwärmt Ferry. „Aus der Vergangenheit kann man so viel lernen.“
„Auf der Bühne zu stehen, war immer eine Herausforderung“
Mit ihrer ersten Single „Virginia Plain“ landen Roxy Music auf Platz 4 der britischen Hitparaden; in Deutschland kommen sie auf Platz 20. Die tanzbare, intellektuell angehauchte Artrock-Hymne hebt sich von der Musik anderer Glamrock-Vertreter wie T.Rex oder The Sweet ab. Optisch fällt die Gruppe mit ihren extravaganten Kostümen auf.
Ferry ist ein Gegenentwurf zu den Sängern anderer Rockbands. Oft trägt er ein weißes Jackett, meistens ein Hemd und eine Krawatte. Nicht nur optisch ist er den großen Croonern der 40er, 50er und 60er Jahre ähnlich. Auch sein schmachtender, geradezu verführerischer Gesang erinnert an Ikonen wie Perry Como oder Dean Martin.
Zunächst muss der Frontmann aber sein Lampenfieber überwinden. „Ich bin, glaube ich, ein sehr schüchterner Mensch und war es immer“, sagt Ferry. „Insofern ist es nicht der beste Beruf. Zumindest dieser Teil, auf der Bühne zu stehen, war für mich immer eine Herausforderung.“
„Ich wollte ein breiteres Publikum erreichen“
Fast zeitgleich mit dem Aufstieg von Roxy Music beginnt Ferry seine Solokarriere und veröffentlicht 1973 „These Foolish Things“, ein Album mit Coverversionen. „Es war erfrischend, etwas ganz anderes als Roxy zu machen“, sagt er.
„Vielleicht wollte ich mit meiner Musik ein breiteres Mainstream-Publikum erreichen, denn das Publikum von Roxy war am Anfang sehr nischig – vor allem Artrock-Fans und Studenten. Das war toll, aber ich war ehrgeiziger und wollte mehr Menschen erreichen. Und ich glaube, ich habe es tatsächlich geschafft, Roxy Music ein größeres Publikum zu bescheren.“
Dass der einflussreiche Soundtüftler Brian Eno die Band schon nach dem zweiten Album verlässt, kann Roxy Music nicht stoppen. Fortan diktiert Ferry als Songwriter und Frontmann den Kurs. Mit Erfolg: Die Alben „Stranded“ (1973) und „Country Life“ (1974) gelten mit ihrer Mischung aus raffiniertem Rock und elegantem Pop als Klassiker.
„Wir haben die Messlatte ziemlich hoch gelegt“
Für Roxy Music wird das achte und letzte Studioalbum „Avalon“ mit der Hitsingle „More Than This“ das erfolgreichste Werk. Vom anfänglich progressiven, teils pompösen Rock 'n' Roll-Sound haben sich Roxy Music zu einer stylishen Popgruppe entwickelt, die zum Vorbild für spätere Erfolgsbands der New Wave und New Romantic wird, darunter Duran Duran, Spandau Ballet oder Human League. Die Band reformiert sich später mehrfach. 2022 feiern Roxy Music das 50. Jubiläum mit einer kurzen Tournee.
Den Musikstil führt Ferry auf seinem Soloalbum „Boys and Girls“ fort. „Weil "Avalon" so ein großer Erfolg für mich, die Band und alle Beteiligten war, haben wir den Druck verspürt, etwas noch Besseres zu schaffen. Wir hatten die Messlatte ziemlich hoch gelegt“, sagt Ferry. Die Single „Slave To Love“ wird ein Welthit. „Und ich denke, das hat mir die Türen für alles andere geöffnet.“
Ferry: „Ich liebe es, Musik zu konstruieren.“
16 Studioalben, dazu acht mit Roxy Music, hat Ferry aufgenommen. Sein typischer, eleganter Pop-Sound ist letztmalig 2014 auf „Avonmore“ zu hören. Er probiert vieles aus. So arrangiert er für „The Jazz Age“ Solo- und Roxy-Music-Songs im Stil der 20er Jahre neu, ohne einen einzigen Ton zu singen.
Auf seinem jüngsten Album „Loose Talk“ kommt seine Stimme ebenfalls kaum zum Einsatz. Die Künstlerin Amelia Barratt spricht die Texte, er liefert die Begleitmusik. Es hat den Anschein, als habe Bryan Ferry mit dem Singen abgeschlossen. „Ich habe einfach das Gefühl, dass ich schon so viel gesungen habe“, sagt er im dpa-Gespräch.
„Ich möchte mich lieber auf den anderen Teil der Musik fokussieren. Das Singen war für mich – seltsamerweise – immer nur ein kleiner Teil davon. Bei den meisten Platten, die ich gemacht habe, war das wie bei einem Eisberg: Das Singen war nur die Spitze, und der ganze Rest war das Musikmachen. Ich liebe es, Musik zu konstruieren. Das fasziniert mich endlos.“
