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Urteil Polizisten beklauen Kokainhändler – und müssen ins Gefängnis

Sie bestehlen Drogenhändler, um sich zu bereichern: Ausgerechnet zwei Polizisten stehen in Hannover vor Gericht, sie müssen für Jahre ins Gefängnis. Die Richterin macht eines unmissverständlich klar.

Von Thomas Strünkelnberg und Leonard Fischer, dpa Aktualisiert: 27.08.2025, 14:13
Zwei Polizisten nehmen Drogenhändlern Geld ab – und behalten es für sich: Das Landgericht Hannover verurteilt sie zu Gefängnisstrafen. (Archivbild)
Zwei Polizisten nehmen Drogenhändlern Geld ab – und behalten es für sich: Das Landgericht Hannover verurteilt sie zu Gefängnisstrafen. (Archivbild) Christina Sticht/dpa

Hannover - Sie sind bekannt in Hannovers Drogenmilieu. Zwei seit vielen Jahren in der Stadt tätige Polizisten, von denen die Dealer wissen: Die Beamten sind auf ihr Geld aus – haben sie ihnen aber Bargeld abgenommen, kann weiter in Ruhe gedealt werden. Das geht über Monate so. Dafür werden die beiden Polizisten mit Gefängnis bestraft: Das Landgericht Hannover verurteilt einen 34-Jährigen zu vier Jahren, sein 50-jähriger Kollege erhält zwei Jahre und neun Monate. Beide sind nicht vorbestraft.

Richterin: Derartige Taten brächten „Rechtsstaat zum Erodieren“

„Auf die Polizei muss man sich verlassen können“, sagt die Vorsitzende Richterin Britta Schlingmann in ihrer Urteilsbegründung. „Das ist die unabdingbare Voraussetzung für den Rechtsstaat.“ Derartige Taten brächten den „Rechtsstaat zum Erodieren“. Das Perfide an dem System der beiden Beamten: Opfer geworden seien ausgerechnet diejenigen, die wegen eigener Straftaten nicht zur Polizei gingen – sie stünden „am Ende der Nahrungskette“. Schlingmann betont aber auch: „Hannover hat ein Problem mit Kokainhändlern.“

Die beiden Männer werden unter anderem wegen Diebstahls mit Waffen und Betrugs verurteilt. Spätestens im April 2024 verabreden sie sich laut Anklage, vorzugsweise albanischen Drogenhändlern Geld wegzunehmen, um sich eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen. Dabei haben sie demnach ihre Dienstwaffen dabei. Polizeiliche Vorgänge zu den Kontrollen legen die Beamten nicht an, sichergestellte Gelder dokumentieren sie in der Regel nicht. Das Geld teilen sie auf, beide kommen so laut Anklage auf jeweils gut 6.000 Euro.

Jüngerer Polizist gibt Beute teils an Bedürftige

Der 34-Jährige gesteht, Drogenhändlern Geld abgenommen zu haben. Den größten Teil des Geldes will er an Süchtige und Obdachlose weitergegeben haben – was ihm das Gericht so nicht glaubt. Anfangs habe er dies zwar getan, mit der Zeit aber immer mehr für sich und seinen Kollegen behalten. 

Der jüngere Polizist spricht vor Gericht viel. Er übernimmt nach Ansicht des Gerichts Verantwortung, auch indem er seine Entlassung aus dem Polizeidienst beantragt. Die Richterin berücksichtigt zudem seine besondere Härte, als Polizist länger in Untersuchungshaft gesessen zu haben.

34-Jähriger erhebt Vorwürfe gegen älteren Kollegen

Kurz vor den Plädoyers erhebt der jüngere Polizist Vorwürfe gegen seinen Kollegen. Dieser ist demnach bei den Kontrollen anwesend und eingeweiht, allein sei dies nicht möglich gewesen. Der ältere Polizist gesteht im Verlauf des Prozesses zwar einen gemeinsamen Versicherungsbetrug, bestreitet jedoch bis zum Schluss alle weiteren Vorwürfe.

Der Staatsanwalt fordert in seinem Plädoyer eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren für den 34-Jährigen. Für den 50-Jährigen hält er eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung für angemessen. Ein Verteidiger des jüngeren Polizisten spricht sich für eine Bewährungsstrafe aus.

Beide seien engagiert darin gewesen, Hannovers Straßen zu kontrollieren und sicherer zu machen – sie seien „mit dem Elend der Stadt in Kontakt gekommen“, sagt Richterin Schlingmann. Der 34-Jährige habe mit aus seiner Sicht fehlender Wertschätzung von Vorgesetzten gerungen und sich bei Beförderungen übergangen gefühlt. 

Mit Rechtsmitteln ist zu rechnen

Der jüngere Polizist ist nach Ansicht des Gerichts tonangebend bei den Taten. Er habe die Betroffenen durchsucht und die Beute abgerechnet, sein älterer Kollege habe hauptsächlich abgesichert. Auch nach Zeugenaussagen arbeiten die Männer als Team zusammen. Die Polizisten fliegen auf, weil ein Zeuge, dem sie immerhin fast 4.600 Euro abnehmen, das nicht auf sich sitzen lassen will – und zur Polizei geht.

Den Haftbefehl gegen den jüngeren Angeklagten hebt die Richterin auf. Dieser hatte zuvor von einem Trauerfall in seiner Familie berichtet und darum gebeten, sich noch von seinen Großeltern verabschieden zu können. Beide Angeklagte können Revision gegen das Urteil einlegen, es ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des 50-Jährigen kündigt denn auch an: Mit Rechtsmitteln sei zu rechnen. Die Anwälte des jüngeren Beamten wollen dies in Ruhe besprechen.

Von der Osten: Polizisten müssen auf dem Boden des Rechtsstaates stehen

Hannovers Polizeipräsidentin Gwendolin von der Osten betont: „Polizistinnen und Polizisten müssen mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Rechtsstaates stehen und die freiheitlich demokratische Grundordnung vorbildlich nach außen und innen vertreten.“ Das Urteil solle sorgfältig ausgewertet werden. Erkenntnisse aus dem Prozess seien in den Polizeialltag eingeflossen, interne Strukturen und Abläufe seien „kurzfristig angepasst“ worden. Es sei ihr persönliches Anliegen, dafür zu sorgen, „dass dienstliches Fehlverhalten nach Möglichkeit gar nicht erst entstehen kann“, betont sie.