Politik und Gastronomie Politik und Gastronomie: Wo man unerkannt essen und «Strippen ziehen» kann

Berlin/dpa. - Wie das «Borchardt» liegen die meisten Treffs im ehemaligen Osten Berlins im Regierungsviertel, um den Gendarmenmarkt und am Boulevard Unter den Linden.
Dort öffnete 1996 das Kaffeehaus «Einstein», das in Sichtweite desHotels Adlon und der amerikanischen Botschaft liegt. Draußenflanieren die Touristen, drinnen wird Politik gemacht. Es gibt Tage,an denen Vertreter aller Fraktionen an den Tischen die Köpfe zusammenstecken, erzählt Geschäftsführer Gerald Uhlig (52). Eigentlich ist erdiskret und nennt keine Namen. Und plaudert schließlich doch einbisschen: Israels Botschafter Shimon Stein ist Stammgast, Ex-US-Präsident Bill Clinton sah sich eine Ausstellung an, und neulich istUS-Notenbankchef Alan Greenspan hineinspaziert.
Dann holt Uhlig ein Buch, in dem Außenminister Joschka Fischerüber das «Einstein» schwärmt und unter der Formel «E = mc². Berlinsbesten Espresso» lobt. «Ich glaube, dass sie so gerne herkommen, weilsie hier in Ruhe gelassen werden», sagt Uhlig über seine politischenGäste. An den weißbetuchten Tischen, den lederbespannten Bänken undden Thonet-Stühlen sitzen sie alle, vom CDU-Mann Jürgen Rüttgers biszur SPD-Frau Andrea Nahles. Das Café wird zur politischen Bühne.Uhlig, der früher Schauspieler und Regisseur war, sieht das«Einstein» mit seiner angeschlossenen Galerie und den Ausstellungenals «begehbares Kunstwerk».
Wer völlig unerkannt und abseits von fremden Ohren reden oderessen will, muss aufpassen. In den beliebten Restaurants, wie dem«Sale e Tabacchi» oder dem «Bocca di Bacco», ist es nicht unbedingtverschwiegen. Hintergrundgespräche von Politikern mit Journalistengibt es öfter im «Piccolo», im «Kanzler-Eck» oder im «Honigmond». Vorkurzem zog das «Il Punto» aus Bonn ans Brandenburger Tor, dortsinnierten die Grünen über die Neuwahlen.
Auch das «Speisezimmer» der Szenegastronomin Sarah Wiener in derChausseestraße hat sich zum Treff gemausert. «Die meisten der Herrenund Damen habe ich beim ersten Mal nicht einmal erkannt», gibt sie indem Buch «Politische Orte» (Jaron Verlag) zu. Touristischer geht esin der «Ständigen Vertretung» am Schiffbauerdamm zu, in der sichExil-Rheinländer mit Kölsch das Heimweh wegtrinken und Karnevalfeiern.
Wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» beobachtet hat,ließ sich Altkanzler Helmut Kohl zum «Alten Zollhaus» nach Kreuzbergchauffieren, um dort die feine Variante der regionalen Küche zukosten. Die Currywurstleidenschaft seines Nachfolgers GerhardSchröder ist hinlänglich bekannt. Ob er sich die Spezialität abertatsächlich vom einige Kilometer entfernten Imbiss «Konopke» aus demPrenzlauer Berg ins Kanzleramt bringen ließ, müsste noch einmalnachrecherchiert werden, heißt es in dem Bericht.