Pazifikinsel Pazifikinsel: Prozesse um sexuellen Missbrauch auf Pitcairn begannen

Wellington/Singapur/dpa. - Auf der winzigen Pazifikinsel Pitcairnwird seit Donnerstag Nachfahren der weltberühmten Meuterer von der«Bounty» wegen Kindesmissbrauchs und Vergewaltigung der Prozessgemacht. Zum Auftakt der Verfahren gegen die sieben Männer erhob eineZeugin schwere Vorwürfe gegen den mitangeklagten Bürgermeister desEilandes, Steve Christian. Er habe sie als Kind vier Malvergewaltigt, sagte die Frau nach Angaben von Radio New Zealand aus.Christian (53), Nachkomme des Meuterei-Anführers Fletcher Christian,wies die Anschuldigungen zurück.
Mit den sieben Angeklagten muss sich rund die Hälfte dermännlichen Erwachsenen Pitcairns vor Gericht verantworten. Auf dem zuGroßbritannien gehörenden Eiland, auf halbem Weg zwischen Neuseelandund Südamerika gelegen, leben nur 48 Menschen. Die Anklageschriftbritischer Staatsanwälte legt den Verdächtigen mehr als 50 Fälle vonKindesmissbrauch und Vergewaltigung zu Last, von denen manche bis zuvier Jahrzehnte zurückreichen. Erwartet wird, dass die Verfahren inetwa sechs Wochen abgeschlossen sind. Im Falle einer Verurteilungdrohen den Angeklagten lange Haftstrafen.
Nach Ansicht von Staatsanwalt Simon Moore verging sich SteveChristian zwischen 1964 und 1975 mindestens sechs Mal an Mädchen.Neben ihm ist auch sein Sohn Randy (30) angeklagt. UnerwarteteUnterstützung hatten die Angeklagten indes kurz vor Prozessbeginnerhalten: Zwei Frauen aus Pitcairn sagten im neuseeländischenFernsehen, die sexuellen Gewohnheiten auf der Insel seien durchausanders. Geschlechtsverkehr im Alter von 12 Jahren sei nicht selten.
Die gerade einmal 4,3 Quadratkilometer große Insel ist in Aufruhr,seit die Vorwürfe Anfang vorigen Jahres öffentlich wurden. Pitcairnfürchtet den Zusammenbruch, sollten die Angeklagten tatsächlichhinter Gitter kommen. Die Insel könne nicht überleben ohne jeneMänner, die mit den Booten umgehen könnten, die Güter vonvorbeifahrenden Schiffen an Land holen, sagte Bewohnerin BettyChristian dem britischen Rundfunksender BBC. «Wir können es unseinfach nicht leisten, irgendwen gehen zu lassen.»
Der Name Christian hat Tradition auf Pitcairn. Fletcher Christianwar es, Anführer der Meuterer auf der «Bounty», der am 15. Januar1790 mit 8 weiteren Meuterern, 6 Männern und 12 Frauen aus Tahitisowie einem Kind auf der Insel landete, auf der Flucht vor derbritischen Justiz. Immerhin hatte ein Teil der «Bounty»-BesatzungKapitän William Bligh bei ihrem Aufstand im Jahr zuvor mit ein paarGetreuen und wenigen Vorräten mitten im Pazifik ausgesetzt.
Friedvolle Zeiten warteten aber nicht auf die abtrünnigenSeeleute. «Sie behandelten die Tahitianer eher wie Sklaven denn alsMenschen» heißt es in der Inselchronik. Blutigen Rivalitäten fielenalle 6 Tahitianer zum Opfer, wie auch 5 Meuterer, darunter FletcherChristian. Die übrigen brachten sich dann selbst oder gegenseitig um,oder wurden von Krankheiten dahingerafft. Im Jahre 1800 war nur nochder Meuterer John Adams von den männlichen Ankömmlingen übriggeblieben, allein mit 10 Frauen und 23 Kindern.
Vermutlich wären die Vorwürfe nie ans Licht gekommen, hätteGroßbritannien nicht 1999 eine Polizistin auf die Insel geschickt, umPitcairns Bürger in öffentlicher Ordnung zu unterrichten. Neugieriggeworden von Berichten mancher Bewohner stellte die Beamtin eigeneErmittlungen an. Anderthalb Jahre später lag ihr Dossier auf demTisch des britischen Hochkommissars in Neuseelands HauptstadtWellington, dem Gouverneur von Pitcairn.