Parfümeur in Sachsen Parfümeur in Sachsen: Algen, Beifuß und Kamille für unvergesslichen Meeresduft

Dresden/ddp. - Bei seiner Arbeit verlässt sich Uwe Herrich in erster Linie auf seine Nase. Mit geschlossenen Augen riecht der 46-Jährige an der Flüssigkeit, die er aus Kräutern in einem Glaskolben über kleiner Flamme destilliert. Im Hintergrund ist leise,klassische Musik zu hören und Herrich prüft mit einem langen, roten Duftstreifen die Qualität des Destillats. Auf dem Schaufenster seines Dresdner Ladens steht, dass hier «persönliche Exklusivkreationen vom einzigen Parfümeur Sachsens» produziert werden. Tatsächlich gibt es nach Angaben des Deutschen Verbandes der Riechstoffhersteller (DVRH) bundesweit nur noch wenige Parfümeure, die individuelle Düfte kreieren.
DVRH-Referentin Susanne Döring schätzt die Zahl der Parfümeure,die Düfte nach individuellen Kundenwünschen herstellen, inDeutschland auf kaum mehr als fünf.
«Wer beispielsweise ein Parfüm verlangt, das nach Meer riechensoll, für den produziere ich aus Algen, Beifuß und Kamille einencharakteristisch duftenden Extrakt«, erklärt Herrich. Das gewonnene Destillat sei ein kleiner, jedoch intensiv riechender Bestandteil, der mit Hilfe einer alkoholischen Trägersubstanz und Zusätzen wie Rosenöl zu einem Parfüm vermengt wird. Erst nach mehrmaligem Destillieren ist der Extrakt für die Weiterverarbeitung geeignet.
Die aufwendige Produktion eines Duftes könne deshalb mehrereWochen in Anspruch nehmen, sagt der Parfümeur. Diese Individualitäthat ihren Preis: 30 Milliliter des Endproduktes kosten 89 Euro.Herrich notiert sich das exakte Rezept seiner Duftmischungen, um siebei Bedarf nicht nur in einem Duftwasser, sondern unter anderem auchin Duschgels, Köperlotionen und Aftershaves zu verwenden.
Die Mehrheit der Parfüms wird nach Angaben des DRVH industriell ingroßen Mengen hergestellt. Die Unternehmen beschäftigen Parfümeurefür die Entwicklung der Duftmischungen, die unter anderem inPflegeprodukten verwendet werden. Einen einheitlich vorgeschriebenenAusbildungsweg zum Parfümeur gebe es ebenso wenig wie eine geschützteBerufsbezeichnung. Unabdingbar für diese Tätigkeit seien jedochchemische Kenntnisse, Kreativität und eine gute Nase.
Bei der Auswahl von ätherischen Ölen und Duftstoffen greifenParfümeure in großen Konzernen auf sogenannte Duftorgeln zurück, diestandardmäßig 2500 bis zu 3000 unterschiedliche Substanzen umfassen.Eine solche Sammlung von Duftstoffen könne leicht mehr als 100 000Euro kosten und sei in diesem Umfang für private Duftproduzentenmeist unerschwinglich, sagt DVRH-Referentin Döring.
Immerhin über mehr als 380 verschiedenen Duftstoffe verfügtHerrich. Darunter seien mehrere Rosenöle, Blaue Kamille aus Ägyptenund Jasmin aus dem französischen Grasse. «Im Vergleich zurindustriellen Parfümherstellung kann ich ganz persönlich auf dieKunden eingehen.» Dies lasse ihm die Chance, Stoffe wegzulassen, diebei manchen Menschen Allergien auslösen oder ausgefallene Vorliebenzu realisieren. «Einmal verlangte ein Kunde einen Duft, der nachKartoffelkeller riecht.» Für die ungewöhnliche Kreation destillierteHerrich Kartoffelschalen, altes Holz und Erde.
Das nötige Fachwissen und den Umgang mit den für dieParfümherstellung verwendeten Stoffen erlernte er im väterlichenBetrieb. «Damals haben wir noch Zahncreme und Haarwaschmittelselbstständig zusammengemischt», erinnert sich der ausgebildeteDrogist an seine Lehrzeit vor der Wende. Um Parfümwünsche abzufüllen,gebe er sich nicht mit handelsüblichen Düften zufrieden. An denWochenenden sammelt er beispielsweise Farn aus der Massenei oder Moosaus dem Tharandter Wald, die später seine Spezialmischungen prägen.
Neben seiner geschulten Nase und den Duftstoffen begleiten meistMozartklänge seine Arbeit. "Das fördert die Kreativität und erhöhtdie Konzentration». Bereits ein Duftstofftropfen zu viel könnenämlich eine Parfümmischung ruinieren. Dabei sei völlig unerheblich,ob letztendlich ein Meeres- oder Kartoffelkelleraroma in einem Flakonlande.
