Österreich Österreich: Josef Fritzl gibt alles zu

St. Pölten/dpa. - Von Mord und Sklaverei wollte er die ganze Zeitnichts wissen. Doch am Tag vor der Urteilsverkündung machte JosefFritzl reinen Tisch: Der 73-Jährige bekannte sich am Mittwoch inallen Anklagepunkten schuldig und sorgte damit für die Überraschungim Inzestprozess vor dem Schwurgericht von St. Pölten. Bereits andiesem Donnerstag, nach dann gerade einmal vier Verhandlungstagen,soll das Urteil fallen.
Fritzl war am Mittwochmorgen von der Richterin noch einmal in denZeugenstand gerufen worden, wo er völlig unerwartet alle Vorwürfeeinräumte. Das Geständnis umfasst auch den Mord durch unterlasseneHilfeleistung an einem seiner Kinder und den Vorwurf der Sklaverei.Beide Anklagepunkte hatte er zuvor zurückgewiesen, während er Inzestund Vergewaltigung zugegeben hatte.
Ein hörbar erregter Fritzl sagte zur Begründung des Sinneswandels,die Videoaussage seiner Tochter E. am Vortag habe ihn dazugebracht. Die Erklärung Fritzls erleichtert den Geschworenen und denRichtern ihren Schuldspruch sicherlich; eine offene Frage bleibt dasStrafmaß. Für Mord droht ihm in Österreich lebenslange Haft. FritzlsAnwalt Rudolf Mayer machte vor Journalisten deutlich, dass er inseinem Plädoyer vor allem um Verständnis für den Angeklagten werbenwird.
Fritzls plötzliches Schuldbekenntnis, von dem selbst seinVerteidiger überrascht war, wurde möglicherweise durch ein weiteres,ungewöhnliches Prozessereignis ausgelöst. Kurz vor Beginn derVerhandlung am Mittwoch erregte eine Meldung Aufsehen, wonach FritzlsTochter E. (42), die er 24 Jahre lang in einem fensterlosenVerlies in seinem Keller gefangen gehalten und immer wiedervergewaltigt hatte, am Dienstag persönlich im Gerichtssaal gewesensei. Nach einem Bericht der Wiener Tageszeitung «Kurier» hatte einPolizeiwagen die Mutter von sechs überlebenden Inzest-Kindern Fritzlsam Morgen von der Landesklinik Amstetten-Mauer zum Gericht gebracht.
Weder der Gerichtssprecher Franz Cutka, noch Fritzls Anwaltdementierten den Bericht auf Anfrage. Mayer, der von Fritzl vorabnicht über dessen geplantes Schuldgeständnis informiert worden war,räumte allerdings ein, dass eine Anwesenheit des Opfers imGerichtssaal entscheidend für das Geständnis des Vaters gewesen seinkönnte: «Falls eines der Opfer im Gerichtssaal gesessen ist, bin ichder Meinung, dass das ein Großteil der Erschütterung gewesen ist.»Mayer sagte, die Tatsache, dass Fritzl in den vergangenen Tagenpsychiatrischen Beistand gesucht habe, sei ein Beweis, dass dieEreignisse vor Gericht psychische Wirkung zeigten.
Nach Fritzls überraschendem Vollgeständnis hatte die vom Gerichtbestellte forensische Psychologin Adelheid Kastner dem Angeklagtenvollständige Zurechnungsfähigkeit für sein 24 Jahre dauerndesVerbrechen bescheinigt. «Dass er eindeutig schuldfähig ist, istebenso eine Tatsache.» Fritzl leide dauerhaft an einer «höher-gradigen, seelisch-geistigen Abartigkeit». Verursacht durch eineKindheit mit einer Mutter, die ihn nur zur Welt gebracht habe, «umihre eigene Fruchtbarkeit zu beweisen».
Wegen Fritzls ausgeprägter Gewaltbereitschaft und wegen seinesMachtdrangs empfahl sie dem Gericht, den heute 73-Jährigen nach derHaftentlassung in eine Anstalt für zurechnungsfähige, aber abnormeRechtsbrecher zur Behandlung einzuweisen. Wann und ob eine nötigeBehandlung des Angeklagten danach eine Entlassung erlauben werde,konnte die Psychiaterin nicht sagen.
Nach dem Abschluss der Beweisaufnahme am Vormittag zogen sich diedrei Berufsrichter für den Rest des Tages zu Beratungen zurück. AmDonnerstagmorgen werden Anklage und Verteidiger ihre Plädoyersvortragen. Mit einem Urteil wird am Donnerstagnachmittag gerechnet.