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Österreich Österreich: Der Weiße Tod

Von Christian Fürst 26.01.2005, 07:55
Von der Wucht der Lawine zertrümmerte und zerstörte Autos in Galtür (Archivfoto vom 27.2.1999). Von dem etwa 2500 Meter hohen Grieskopf waren 300 Meter breite Lawinen über 1000 Höhenmeter in das Skidorf gedonnert. Lawinenabgänge in den österreichischen Alpen haben am vergangenen Wochenende wieder fünf Menschenleben gefordert. Doch die meisten Lawinenunfälle könnten verhindert werden, meint Rupert Kisser, Leiter des Wiener Instituts «Sicher Leben». (Foto: dpa)
Von der Wucht der Lawine zertrümmerte und zerstörte Autos in Galtür (Archivfoto vom 27.2.1999). Von dem etwa 2500 Meter hohen Grieskopf waren 300 Meter breite Lawinen über 1000 Höhenmeter in das Skidorf gedonnert. Lawinenabgänge in den österreichischen Alpen haben am vergangenen Wochenende wieder fünf Menschenleben gefordert. Doch die meisten Lawinenunfälle könnten verhindert werden, meint Rupert Kisser, Leiter des Wiener Instituts «Sicher Leben». (Foto: dpa) dpa

Wien/dpa. - Der Weiße Tod schlug gnadenlos zu. Vier Touristen,darunter ein Deutsch-Amerikaner, wurden am vergangenen Samstag beiSt. Anton am Arlberg von einer Lawine verschüttet. Sie hatten diese -auf einem ungesichertem und gesperrten Hang - selbst losgetreten. DieSkifahrer wurden von den eisigen Massen erdrückt oder starben Stundennach ihrer Bergung im Krankenhaus.

Fast täglich melden Bergretter in den Alpen zurzeit solcheLawinenunfälle mit oft tödlichem Ausgang. «Im Durchschnitt sterbenpro Jahr mehr als 100 Ski- und Snowboardfahrer in den Alpenländern»,sagt Rupert Kisser, Leiter des Unfallforschungs-Instituts «SicherLeben» in Wien. In Österreich schwankte die Zahl der Lawinentoten inden vergangenen Jahren zwischen 8 und 50. Die meisten der Opferkönnten noch leben, wenn sie die einfachsten Sicherheitsvorkehrungenbeherzigt hätten.

Allein in Österreich kam es im Winter 2003/2004 zu 60Lawinenunfällen. Dass dabei «nur» acht Menschen starben und 19verletzt wurden, führt Walter Würtl, Lawinen-Referent derBergrettung, «auf einen sehr aktiven Schutzengel» der Betroffenenzurück. Die größten Verursacher waren dabei nach seiner Statistikrisikofreudige Skitouren-Geher mit 35 Unfällen und 56 Beteiligten. 20Lawinenunfälle mit 43 Beteiligten gab es beim so genannten Varianten-Fahren, bei dem sich Skifahrer abseits der gesicherten Pisten auf diegefährliche Abfahrt ins Tal stürzen.

87 Prozent der an den Lawinenunfällen Beteiligten sind Männer. Sieseien, so weiß Würtl aus Erfahrung, eben «auch beim Skifahren bereit,ein größeres Risiko einzugehen». Wintersportler zwischen 21 und 40Jahren waren in die allermeisten Lawinenunfälle verwickelt. Diemeisten Toten gibt es inzwischen unter der zunehmenden Zahl vonSnowboardern.

«Dabei wäre es ein Leichtes, diese tödlichen Lawinenunfälle zuvermeiden. Ich würde schon bei Warnstufe 3 gar nicht mehr von dergesicherten Piste gehen», sagt Rupert Kisser. Besonders in denvergangenen Tagen sei die Lawinengefahr sehr groß gewesen. «Wenn dieAltschnee-Unterlage schlecht und eisig ist und es innerhalb wenigerTage viel Neuschnee mit Schneeverwehungen gibt, dann wird's immergefährlich. Auf ungesicherten Pisten, die gerade wegen ihresPulverschnees besonders locken, kann man dann schnell ein Schneebrettoder eine Lawine lostreten, weil der Altschnee mit dem Neuschneenicht verbunden ist.»

Doch gerade diese Wetterlage verführt die risikofreudigenWintersportler. «Die gefährliche Gier nach Pulverschnee», sagt Ski-Funktionär Karl Gabl, treibe die Skiläufer und Snowboarder förmlichauf die ungesicherten Hänge. Dass die Skiläufer dabei nicht seltenvon erfahrenen Touren-Gängern oder gar Ski-Lehrern in diese Gefahrgebracht werden, sei keine Seltenheit. «Mit der Erfahrung kommt dieÜberheblichkeit», weiß «Sicher Leben»-Chef Kisser. Andere, vor allemdie Jüngeren, wollten sich offenbar selbst beweisen. Für sie ist dieAbfahrt auf den offiziellen Pisten einfach keine Herausforderungmehr.

Die Bergung eines Verschütteten wird heute den Betroffenen inRechnung gestellt. Der Einsatz des Rettungshubschraubers und nichtselten Dutzender Helfer kostet oft Tausende Euro. Sollte es dagegenauf den offiziellen Abfahrten zu einem Unglück kommen, haften diejeweiligen Betreiber. Doch Lawinenunfälle auf den gesicherten Pistengibt es höchst selten. «Die Bergbahnen sperren die Pisten lieber zu,bevor sie ein Risiko eingehen», sagt «Sicher Leben»-Chef Kisser.