Kriminalität Opfer im eigenen Haus: Täter bei Raubüberfällen brutaler
Dreiste Täter fesseln Willi Weber und seine Frau in der eigenen Villa. Wie organisierte Banden gezielt ältere Menschen ins Visier nehmen – und was das für alle bedeutet.

Stuttgart - Als frühere rechte Hand von Formel-1-Legende Michael Schumacher ist Willi Weber an Glanz und Prominenz gewöhnt. Doch ein brutaler Überfall in seiner Stuttgarter Villa hat ihm gezeigt, wie schutzlos selbst ein bekannter Manager im eigenen Haus sein kann. Was dem 83-Jährigen widerfahren ist, beschreibt nach Einschätzung von Polizei und Opfer-Helfern eine Entwicklung, die vielen älteren Menschen in Deutschland Angst macht.
Weber schätzt, dass seine Villa schon länger von den Männern ausgespäht wurde. Das vermummte Trio habe gewusst, wie es ins Haus kommt und wo die Tresore stehen. An einem Dezember-Abend schlagen die Täter zu, steigen über die Terrasse ein und zwingen Weber, den Code für den Safe zu verraten. Seine Frau, die Haushilfe und er werden gefesselt und können sich erst befreien, als die Männer schon auf und davon sind.
Kein Einzelfall
Der Überfall auf Schumachers langjährigen Manager ist kein Einzelfall. Immer wieder werden in Deutschland ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden angegriffen, ausgeraubt und teils schwer misshandelt. Wenige Tage nach Weber wird ein älteres Ehepaar in Mönchengladbach mit Schusswaffen bedroht und gefesselt, kurz zuvor trifft es ein Paar in Kiel. Im Sommer wird nur wenige Hundert Meter von Webers Haus entfernt ein weiterer Manager mit seiner Frau überfallen.
Zahlen gehen eher zurück
Ein Blick in die Kriminalstatistik zeigt zwar: Raubüberfälle in Wohnungen nehmen insgesamt eher ab. Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden im vergangenen Jahr bundesweit 2.342 solcher Taten registriert, rund 100 weniger als im Jahr zuvor. 757 davon werden als schwerer, also bewaffneter Raub eingestuft - und die weitaus meisten auch aufgeklärt. In drei Fällen kam ein Mensch ums Leben.
Auch Menschen über 60 scheinen nicht häufiger Opfer zu werden als vor rund zehn Jahren. Beispiel Baden-Württemberg: Dort gab es laut Landeskriminalamt (LKA) im vergangenen Jahr 22 bekanntgewordene Fälle. Einen Anstieg verzeichnen die Ermittler nicht, wie eine LKA-Sprecherin sagte. Auch im laufenden Jahr näherten sich die Zahlen diesem Niveau an.
Aber die Hemmschwelle sinkt
Polizei, Justiz und Opferverbände beobachten jedoch, dass die Hemmschwelle sinkt, hilflosen Senioren Gewalt anzutun. Immer häufiger durchsuchen Einbrecher das Haus nicht nur nach Wertgegenständen. Sie versuchen auch, die EC-Karten-PINs ihrer Opfer zu erpressen – und schrecken dabei vor brachialen Methoden wie Stromschlägen oder Fausthieben nicht zurück. Er sei „regelrecht verprügelt“ worden, bevor er den Code des Tresors verraten habe, erinnert sich Weber.
„Wir beobachten seit Jahren eine zunehmende Rücksichtslosigkeit“, sagt der baden-württembergische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gundram Lottmann. Täter scheuten immer weniger davor zurück, körperlich schwache oder offensichtlich hilflose Menschen anzugreifen. Die Polizei rechnet damit, dass sich das Problem eher verschärfen wird, weil die Gesellschaft altert und mehr ältere Menschen allein leben.
Sicherheitsbehörden warnen zudem vor organisierten Banden, die gezielt ältere Menschen ausspähen – etwa durch Beobachtung von Tagesroutinen oder Telefonanrufe. „In vielen Fällen gibt es klare Anzeichen für professionelles Vorgehen, arbeitsteilige Strukturen und gezieltes Ausspähen“, sagt Lottmann. Oft reiche es, in Telefonbüchern nach traditionellen Vornamen und Adressen zu suchen.
Die Folgen für die Opfer
Die Überfälle haben für Betroffene nicht nur finanzielle Folgen. Viele verlieren nach Angaben der Opferschutzorganisation Weißer Ring ein Gefühl von Sicherheit und entwickeln schwere seelische Belastungen wie Schlaflosigkeit oder Angstzustände.
Polizei und Opferhelfer raten, Risiken ernst zu nehmen, ohne in Angst zu verfallen. Kriminalhauptkommissarin Silvia Traber empfiehlt, keine Unbekannten ins Haus zu lassen und Türen technisch etwa mit Sperrbügeln abzusichern.
Wichtig zudem: „Leisten Sie im Fall von Bedrohung keinen Widerstand“, sagt Traber, die auch Fachberaterin Seniorenprävention beim Polizeipräsidium Südosthessen ist. „Und geben Sie alles raus, denn das Leben ist wichtiger als Geld und Wertgegenstände.“ Es sei allerdings auch nie gut, zu große Summen Bargeld zu Hause aufzubewahren. Präventionsangebote der Polizei und ein wachsames Umfeld aus Nachbarn und Angehörigen könnten helfen, Täter abzuschrecken.