Oberwiesenthal Oberwiesenthal: Bizarrer Streit um nackte Rodler

Oberwiesenthal/dpa. - Bürgermeister Mirko Ernst (FDP)hat sich schon als Gegner des Spektakels geoutet. Skisprung-Olympiasieger Jens Weißflog weiß nicht so recht. Es sei ihm zwar einAnliegen, dass in dem Ort am Fichtelberg was passiert. Der Ex-Skispringer findet die Idee «nicht das Allerschlechteste - aber ob'sdas jetzt bringt?» Weißflog betreibt ein Hotel am Fuße desFichtelbergs - mit 1214 Meter Sachsens höchsten Erhebung - und dazählt vor allem die Anzahl der Gäste-Buchungen, unabhängig von denKlamotten auf der Piste.
Zur «Oben-Ohne-Meisterschaft» dürften selbstverständlich auchBikinis getragen werden, sagt Jochen Nöske. Der Gastronom tritt alsSprecher des 2009 gegründeten SC Traktor Oberwiesenthal auf. DerVerein nimmt im Internet schon Anmeldungen für das «Oben Ohne»-Rennenentgegen - noch bevor das Spektakel offiziell angemeldet ist. «Wirziehen Touristen an, auf jeden Fall mehr als 10 000», sagt Nöske.Dass er damit richtig liegen könnte, zeigt die Nacktrodel-Premierevor einem Jahr in Braunlage (Niedersachsen) im Harz mit 12 000Besuchern. Negativ in Erinnerung geblieben sei nichts - allenfalls,dass es wegen des unerwartet großen Ansturms an jenem 7. März 2009«etwas chaotisch» gewesen sei, hieß es in der Rückschau aus demdortigen Rathaus.
Oberwiesenthals Bürgermeister Ernst aber kann die Aussicht aufeinen Publikumsrenner nicht beeindrucken. Er wurde erst vor wenigenTagen kalt von der Werbung fürs Nacktrodeln erwischt. Viele Bürgerhätten ihn inzwischen darauf angesprochen, auch auf die anstößigeWortwahl («Megatitten») des kursierenden Flugblatts - und die meistenseien wie er selbst dagegen. Ernst weiß, dass der Kurort immer nochvor allem vom Wintersport-Tourismus lebt. «Oberwiesenthal brauchtselbstverständlich immer wieder neue Highlights», diese müssten aberniveauvoll sein, findet der 41-Jährige.
Seine Vorbehalte macht Ernst auch an Organisator Nöske fest, demer schlicht die Seriosität abspricht. Mit Nöske habe die Stadt in derVergangenheit nur schlechte Erfahrungen gemacht. Tatsächlich giltdieser als schillernde Figur, für die Boulevardpresse ist er der«Kneipen-König» von Leipzig, wo er ebenfalls lebt. Nöske selbst siehtin dem Spektakel ein Angebot an die Jugend - für die es in demWintersportort bisher viel zu wenig gebe.
Für eine Pensionsbesitzerin ist die Angelegenheit eher eine Sachedes Geschlechts: «Für die Männer ist das was, die wollen sowas.» Siewürde sich auch nicht wundern, wenn «ganze Fußballmannschaften ausder Region Busse anmieten und zu dem Gaudi-Rennen anreisen». Einanderer Hotelier denkt vor allem an die Kinder, denen beim Rodelnplötzlich «barbusige Frauen» begegnen könnten - das Rennen sei«negative PR» für Oberwiesenthal, sagt er. Er glaubt nicht, dass«Oben Ohne» sein Geschäft ankurbelt.
Laut Werbeflyer soll das Rennen am Abend des 5. März stattfinden -wo genau, ist noch unklar. Nöske spricht vom «Zieleinlauf vor demRathaus» - aber damit will er wohl nur den Bürgermeister ärgern. Derwiederum ist sich ziemlich klar darüber, dass Nöske einfach zur Tatschreitet - egal ob das Rennen genehmigt wird oder nicht. Garantiertnicht dabei sein wird Ehrenbürger Jens Weißflog. «An dem Tag istWeltcup in Finnland», sagt der 45-jährige ZDF-Sportexperte ganz ohneBedauern.