Nordafrika Nordafrika: Über 300 Tote durch Unwetter in Algerien

Algier/dpa. - In den Moscheen des Landes hatten die algerischen Moslems amDonnerstag noch in Gebeten um Regen gefleht. Seit dem Ende desSommers war in Algerien kaum ein Tropfen gefallen, der Bodenausgedörrt und rissig. Frühabends am Freitag setzte dann statt eineserlösenden Regens die große Flut ein, die eine Katastrophe brachte.«Ich habe immer hier in Algier gelebt, in meinem Leben aber nochnicht einen solchen Sturm gesehen», beschreibt der Arzt Mustafa Farahdas Unwetter und seine dramatischen Folgen. «Diese Sintflut hat unsin wenigen Stunden in eine andere Welt gestürzt. Die schlammigenWassermassen schwollen an, schoben Fahrzeuge vor sich her und türmtensie so wie Spielzeug auf.»
In den an Hängen liegenden Vorstädten Algiers kam es zu schwerenErdrutschen, die katastrophale Schäden anrichteten. Besonders schwerbetroffen ist das westlich von Algier gelegene Viertel Babel-Oued dereinfachen Arbeiter und der Armen. Die mächtigen Schlammfluten undGeröllmassen hatten leichtes Spiel mit den nur notdürftigzusammengezimmerten Behausungen des Viertels der algerischen 3,5-Millionen-Metropole.
«Als der Schlamm endlich Halt machte, bildete er einen Friedhofaus Wasser und Erde mit den Leichen der fortgeschwemmten Menschen»,berichtete ein Augenzeuge. «Die vier Meter hohe Flutwelle hat allesmit sich gerissen.» Schlamm und Schutt wälzten sich durch die StraßenAlgiers. Schockierte Menschen machten sofort eine ihrer Meinung nachunzulängliche Wartung und Reinigung der Kanalisation verantwortlich.
Die Armee half bei der Bergung von Opfern. Am Sonntag waren nochetwa 3000 Menschen obdachlos, die Hälfte von ihnen in Algier selbst.Die algerische Presse sprach von einer verfehlten Städtebaupolitikund einer unzureichenden Vorbereitung auf das anrückende Unwetter.Zwar hatte der algerische Wetterdienst Sturm angekündigt. Niemandrechnete indessen mit derartig gewaltigen Wassermassen, die alleüberraschten und auf knochentrockenen, staubigen Boden prasselten.
Allein im Großraum von Algier sind nach Berichten mindestens 287Menschen getötet worden. Das algerische Fernsehen zeigte Bilder vonschlammigen Fluten, die über Häuser hinweggingen. Augenzeugen inAlgier berichteten, das öffentliche Leben in der Hauptstadt seipraktisch zum Erliegen gekommen. Umgestürzte Bäume und eiligverlassene Autos blockierten den Rettungsmannschaften zentraleStraßenverbindungen. Die Telefonverbindungen fielen aus, Züge bliebenin den Bahnhöfen.
Die meisten Opfer sind den Behörden zufolge von den Wassermassenfortgerissen worden und ertrunken. Im algerischen Norden stürztenHäuser ein und begruben die Bewohner unter sich. InnenministerNoureddine Zerhouni des auch von islamistischer Gewalt erschüttertennordafrikanischen Staates setzte einen Notfall-Plan in Kraft, um allemöglichen Hilfskräfte für die Bergungs- und Aufräumarbeiten zumobilisieren. Regierungschef Ali Benflis berief rasch eineKrisensitzung ein. Auch in den Städten Tipasa und in Oran starbenmindestens sechs Menschen.