Nobelpreis Nobelpreis: Jungbrunnen mit Nebenwirkung - Jugend-Enzym kann Krebs auslösen
Hamburg/dpa. - Diese Erkenntnisse sind nun den Nobelpreis fürMedizin wert, der in diesem Jahr zum hundertsten Mal vergeben wird.
In gesunden Zellen geht bei jeder Teilung ein Stück des Erbgutsverloren. Die Enden des Erbgutstrangs, die Telomere, werden immer kürzer, bis die Zelle altert und schließlich stirbt. Stammzellen und Krebszellen hingegen haben ein sehr aktives «Jungbrunnen»-Enzym, die Telomerase. Es lagert immer wieder Erbmaterial an die Erbgutenden an, so dass die Zellen sich immer weiter vermehren können und quasi unsterblich werden.
Um zu ihren Erkenntnissen zu gelangen, war eine langeZusammenarbeit nötig: Elizabeth Blackburn von der University ofCalifornia in San Francisco entdeckte, dass die Enden derErbgutträger aus einem sich mehrfach wiederholenden Bausteinmuster bestehen. Sie wurden Telomere getauft, aus den griechischen Worten «Telos» für Ende und «Meros» für Teil.
Jack W. Szostak vom Massachusetts General Hospital in Boston fand heraus, dass diese Endteile die Erbgutträger vor dem Ausfasern und Zusammenkleben schützen wie Plastikhülsen die Schnürsenkel. Zudem werden die Telomere bei jeder Teilung der Zelle kürzer - ein Alterungsprozess.
Zusammen mit ihrer damaligen Doktorandin Carol W. Greider (heuteJohns Hopkins University in Baltimore) fand Blackburn zudem das Enzym Telomerase, das die Endteile wieder verlängert und daher auch als Jungbrunnenenzym bezeichnet wird. Genau an Weihnachten 1984 hatte die Doktorandin einen Hinweis auf das Enzym in ihren Zellkulturen entdeckt. Damit hatten die drei Forscher die Grundlage gelegt für weitere Arbeiten über Krebs, Alterung und speziellen Erbkrankheiten.
Die Entdeckungen hatten gewaltige Auswirkungen auf die weltweiteForschung. So untersuchte Maria Blasco vom SpanischenKrebsforschungszentrum (CNIO) in Madrid, wie die Telomerase praktischwirkt. «95 Prozent aller Arten von Krebszellen enthalten sehr hoheMengen an Telomerase», sagte Blasco anlässlich der Vergabe desKörber-Preises 2008. Diese Zellen vermehren sich immer weiter.
Wenn sie das Enzym hingegen in Mäusen ausschaltete, starben dieTiere aufgrund alternder Muskelzellen an Herzversagen früher alsgewöhnlich. Das Besondere an diesen Mäusen war jedoch ihr natürlicherKrebsschutz. Trotz krebserregender Tinktur auf der Haut bekamen siekaum Tumore.
Die Pharmaindustrie forscht derzeit an Telomerase-Medikamenten,die kürzer gewordene Telomere in den Zellen nachwachsen lassensollen. «Wenn solche Medikamente nur über einen kurzen Zeitraumeingenommen werden, ist die von ihnen ausgehende Krebsgefahr nichtallzu hoch, sofern man die Mittel richtig dosiert», meint Blasco. DieTelomere blieben dann jedoch verlängert. Ebenso gibt es Ansätze, dieTelomerase-Aktivität zu hemmen, damit Krebszellen absterben.