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Niedersachsen Niedersachsen: Viele Tote bei Unfall auf Transrapid-Strecke

22.09.2006, 11:17

Lathen/dpa. - Weiterezehn Menschen hätten die Katastrophe verletzt überlebt, sagte derEinsatzleiter der Polizei, Karlheinz Brüggemann. Bis zum Abend warenden Angaben zufolge alle 33 Unfallopfer aus den Zugtrümmern geborgenworden. «Wir gehen davon aus, dass es keine weiteren Opfer mehrgibt», sagte eine Polizeisprecher am späten Abend. Zwischenzeitlichwaren die Beamten von 25 Toten ausgegangen. Fast 400 Rettungskräftehatten den ganzen Tag darum gekämpft, zu den Opfern im völligzerstörten vorderen Zugteil zu gelangen.

Die Betreibergesellschaft und die Staatsanwaltschaft Osnabrückvermuteten menschliches Versagen als Unglücksursache. Zusätzlichseien auch technische Fehler - etwa Funkprobleme - denkbar, sagte einSprecher der Staatsanwaltschaft. «Bei Einhaltung aller Bestimmungenwäre dieser Unfall nicht möglich gewesen», sagte der Geschäftsführerder Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG), Rudolf Schwarz, amAbend.

Die führerlose Schwebebahn war am Vormittag mit vermutlich 31Fahrgästen an Bord bei Lathen in Niedersachsen gegen denWerkstattwagen gerast. Auf diesem Wagen waren zwei Angestellte wiejeden Morgen damit beschäftigt, die Strecke von Ästen und Schmutz zubefreien. Normalerweise hätte der Transrapid erst starten dürfen,nachdem der Arbeitswagen die Strecke verlassen hatte. Die beidenAngestellten auf der Arbeitsplattform sollen den Unfall schwerverletzt überlebt haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Unfallort denAngehörigen der Opfer im Namen der Bundesregierung ihr tiefes Beileidund Mitgefühl aus. «Ich bin aus traurigem Anlass hier», sagte sie inLathen. Die Bundeskanzlerin hatte politische Gespräche abgebrochenund war an den Ort der Katastrophe geeilt. «Ich habe mir ein Bildnach dem Unglück machen können», sagte Merkel sichtlich erschüttert.Zahlreiche weitere Politiker äußerten ihre Bestürzung.

Um 9.59 Uhr ging der Notruf in der Rettungsleitstelle des Kreisesein. Daraufhin eilten zunächst mehr als 150 Hilfskräfte zurUnglücksstelle zwischen den Orten Lathen und Melstrup. Der Zug warnach dem Unfall zwar nicht von der rund fünf Meter hohen Trasse derSchwebebahn gekippt. Allerdings war der vordere Zugteil nach demAufprall zerstört und hing von den Stelzen herab. Trümmer undKleidung lagen auf mehreren hundert Metern entlang der Unglückstrasseverstreut. Mit zwei Kränen versuchten die Rettungskräfte, Teile desWracks anzuheben, um zu den Eingeschlossenen zu gelangen. 10 Menschenwurden schwer verletzt in umliegende Krankenhäuser gebracht. DiePolizei sperrte das Gebiet weiträumig ab, um Schaulustige abzuhalten.

In dem Unglückszug befanden sich laut Polizei Angestellte desEnergieversorgers RWE sowie Mitarbeiter der Versuchsstrecke. NachAngaben des Unternehmens handelt es sich um Beschäftigte desRegionalcenters Nordhorn, die aus den niedersächsischen OrtenNordhorn, Veldhausen und Meppen stammen. Weitere drei Passagiere sindder «Neuen Osnabrücker Zeitung» zufolge Mitarbeiter eines PapenburgerPflegedienstes.

Warum diese Gruppe von Menschen im Zug mitfuhr, war zunächst nichtbekannt. Die Industrieanlagen Betriebsgesellschaft (IABG) alsBetreiberin betonte, es habe sich nicht um eine Besucherfahrt,sondern um eine «Messfahrt» gehandelt. Weitere Einzelheiten nanntedie Gesellschaft nicht. Ob der Zug keine Abfahrtgenehmigung hatteoder der Werkstattwagen nicht im Einsatz hätte sein dürfen, bliebzunächst offen.

Bundespräsident Horst Köhler reagierte mit Bestürzung und Trauerauf das Unglück. «Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihrenFamilien und bei denen, die jetzt an der Unfallstelle im Rettungs-und Bergungseinsatz sind», sagte der Bundespräsident.Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) brach seine China-Reise ab, um sich am Samstag am Ort über das Unglück zu informieren.

Tiefensee hatte in Peking mit dem chinesischen EisenbahnministerLiu Zhijun über eine Verlängerung der Transrapidstrecke in Schanghaiverhandelt. Dort verkehrt die bislang weltweit einzige kommerzielleTransrapid-Verbindung. Am 11. August war in Schanghai in einemBahnhof ein Waggon in Brand geraten. Die Passagiere konntenunverletzt in Sicherheit gebracht werden.

In Deutschland wird derzeit über eine Transrapid-Verbindungzwischen dem Münchner Flughafen und der Innenstadt verhandelt. DasProjekt droht jedoch an den hohen Kosten zu scheitern, die für die 38Kilometer lange Strecke auf bis zu 1,85 Milliarden Euro geschätztwerden. Der Betreiber des möglichen Transrapid-Projekts in München,die DB Magnetbahn GmbH, reagierte mit Bestürzung auf das Unglück.Sprecher Ulrich Krenn sagte der dpa, das Unglück habe auf dasVorhaben zunächst keine Auswirkungen. Ehe sich dazu etwas sagenlasse, müsse die Unfallursache geklärt sein.

Seit 1984 fährt die Magnetschwebebahn auf Europas längsterTeststrecke im Emsland. Auf der 31,5 Kilometer langen Versuchsanlageerreicht die Schnellbahn Geschwindigkeiten bis zu 450Stundenkilometern. Die Strecke mündet im Norden und Süden in zweiWendeschleifen - dazwischen liegt ein 12 Kilometer langer Abschnitt,auf dem die Höchstgeschwindigkeiten erreicht werden.

Infografik zum Transrapid-Unfall (Grafik: dpa)
Infografik zum Transrapid-Unfall (Grafik: dpa)
dpa