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Niederlande Niederlande: Hass-Attacken wegen «Handtaschenkater»

26.05.2009, 08:11
Eine Handtasche aus den Kadavern einer Katze und eines Hundes der niederländischen Künstlerin Tinkebell (Katinka Simonse) wird bei einer Kunstausstellung in Rotterdam gezeigt. (FOTO: DPA)
Eine Handtasche aus den Kadavern einer Katze und eines Hundes der niederländischen Künstlerin Tinkebell (Katinka Simonse) wird bei einer Kunstausstellung in Rotterdam gezeigt. (FOTO: DPA) ANP

Amsterdam/dpa. - Tausende anonyme Hass-Mails aus aller Welt hat die niederländische KünstlerinTinkebell bekommen, seit sie ihrem todkranken Kater Pinkeltje denHals umdrehte und eine Handtasche aus ihm machte. Jetzt hat sieeinige hundert dieser E-Mails als Buch veröffentlicht - zurÜberraschung der «Hassmailer», die sich für unerkennbar hielten, mitderen Namen und Kontaktdaten.

Rasch ist das kürzlich in den Niederlanden erschienene Buch«Dearest Tinkebell» zum Kultobjekt geworden. «Es nimmt dem Phänomenvon Hassmails die Abstraktheit», sagt die 1979 geboreneKonzeptkünstlerin mit dem bürgerlichen Namen Katinka Simonse. «Manhört jeden Tag, dass jemand übers Internet anonyme Drohungen bekommt.Jetzt wird deutlich: Es könnte deine Nachbarin sein oder auch deineigenes Kind.»

Das Hassmail-Buch sieht Tinkebell als Fortsetzung ihrer von jeherauf Provokation basierenden Kunst. «Ich benutze Kontroversen alsMaterial», sagt sie. Vor allem mit Haustier-Installationen hat dieAbsolventin des renommierten Amsterdamer Sandberg-Instituts seit 2004immer wieder Debatten ausgelöst. Ihr erklärtes Ziel ist dieEntlarvung einer «doppelten Moral»: Die Liebe zum Kuscheltier auf dereinen und die Ignoranz gegenüber den Qualen industriell verwerteterTiere auf der anderen Seite.

So drohte Tinkebell im Sommer 2007, mit einer öffentlichenInstallation 60 Küken durch einen Schredder zu jagen, um auf diemassenweise Vernichtung männlicher Küken in der industriellenEierproduktion hinzuweisen. 2008 schritt die Polizei ein, als sie ineiner Amsterdamer Galerie 100 Hamster in Tretmühlen zeigte. «Gegeneinen Hamster im Tretrad sagt niemand etwas, aber gegen 100 plötzlichdoch», konstatierte sie.

Den weitaus größten Wirbel löste sie aber 2004 mit derPräsentation von Kater Pinkeltje als Handtasche aus. Sie wolltedamit, hieß es zu Erklärung, hinterfragen, wieso eine Gesellschaftdie Verarbeitung eines solchen Haustieres zu einem Produkt nichtakzeptiert, zugleich aber die Herstellung von Produkten aus Millionenvon Nutztieren gedankenlos hinnimmt.

Die Aktion ging freilich daneben. Auch nach Jahren erntet sie mitdem Bild des tragbaren «Handtaschenkaters» immer wieder heftigeKritik - bis hin zu Todesdrohungen in Hassmails. Dass viele davon nunnicht mehr anonym sind, hat Tinkebells Freundin und Kollegin CoralieVogelaar durch monatelange akribische Sucharbeit möglich gemacht. Siehat tausende E-Mail-Adressen von anonymen Hass-Mailern von einereigens entwickelten automatisierten Suchmaschine mit Angaben inGoogle, Yahoo und vor allen in sozialen Netzwerken wie Facebook,LinkedIn oder auch Twitter abgleichen lassen.

«Warum bringst du nicht auch deine Mutter um und machst eineGeldbörse aus ihr», hieß es in einer der anonymen E-Mails, der sichplötzlich Namen, Telefonnummern und Gesichter zuordnen ließen. «Ichhoffe, du krepierst in Schmerzen und brennst in der Hölle!», schriebein anderer Hassmailer, der nicht gedacht hätte, dass er jemalsbloßgestellt werden würde.

Bei ihrer Suche stieß Vogelaar auf ein Phänomen: «Die Verfasseranonymer Hass- und Droh-Mails sind nicht selten exhibitionistischeTypen, die Hunderte Fotos von sich im Netz platzieren und allesMögliche über sich selbst berichten.» Mit Klagen von enttarntenHassmailern rechnen die Frauen nicht. «Die würden wir dann natürlichsofort wegen Bedrohung anzeigen», sagt Pinkeltjes Ex-Frauchen.