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New York New York: 29-Jährige schmiert Brote für Obdachlose

Von Christina Horsten 20.12.2012, 07:09
Erin Dinan, Gründerin der Hilfsorganisation "One Sandwich at a Time", die sich um Obdachlose in Manhattan kümmert, hockt am 12.12.2012 in einer Kirche im Stadtteil Chelsea inmitten von Kartons mit belegten Toastbroten. Hier schmiert sie mit einer Gruppe von Helfern Butterbrote für Obdachlose. (FOTO: DPA)
Erin Dinan, Gründerin der Hilfsorganisation "One Sandwich at a Time", die sich um Obdachlose in Manhattan kümmert, hockt am 12.12.2012 in einer Kirche im Stadtteil Chelsea inmitten von Kartons mit belegten Toastbroten. Hier schmiert sie mit einer Gruppe von Helfern Butterbrote für Obdachlose. (FOTO: DPA) dpa

New York/DPA. - Durch die bunten Kirchenfenster dringt das Licht der Straßenlaternen ins Innere, aus den Lautsprechern dudelt Weihnachtsmusik, und mittendrin steht Erin Dinan, singt mit und legt Salatblätter auf Toastscheiben. „Ich habe meinen iPod an die Kirchenlautsprecher angeschlossen“, sagt die 29-Jährige und reicht das Brot weiter. „So macht die Arbeit doch gleich noch viel mehr Spaß.“ Ein Dutzend Männer und Frauen steht um sie herum an dem langen Tisch und vervollständigt die Arbeitskette: Erst Senf auf zwei Toastscheiben, dann Schinken, Käse und Salat, zuklappen und in eine Plastiktüte stecken - fertig ist das kleine Hilfspaket.

„One Sandwich at a Time“ (etwa: Butterbrot für Butterbrot) hat Dinan ihre New Yorker Hilfsorganisation genannt. „Die vielen Obdachlosen auf den Straßen hier haben mich schon immer sehr mitgenommen“, erzählt sie. „Ich habe das Gefühl, die Menschen sind völlig abgestumpft und beachten sie schon gar nicht mehr.“ Die Zahl der Obdachlosen in New York - der Metropole, in der gleichzeitig auch die meisten Millionäre der USA leben sollen - hat sich in den vergangenen zehn Jahren nach Angaben der „Koalition für die Obdachlosen“ mehr als verdoppelt: 50 000 Menschen - fast die Hälfte davon Kinder - haben derzeit kein festes Dach über dem Kopf und müssen auch die Weihnachtstage in Notunterkünften oder den Straßenschluchten von Manhattan verbringen.

Um ihnen zu helfen, versuchte es die im Bundesstaat Florida geborene und in der Nähe von Chicago aufgewachsene Dinan im Winter vergangenen Jahres zunächst mit einem Fotoprojekt. „Aber es war sehr schwer, an die Menschen heranzukommen. Bis ich auf die Idee kam, Butterbrote mitzubringen.“ Mit dem Fotoprojekt wurde es trotzdem nichts - aber die Butterbrote blieben. „Jeden Tag, wenn ich aus dem Haus gegangen bin, habe ich vorher ein Brot geschmiert und es einem Obdachlosen gegeben. Irgendwann kannte ich dann schon ein paar von ihnen und wusste, wo sie sich immer aufhalten“, erzählt Dinan. „Auch meine Freunde habe ich alle überredet, Brote zu schmieren. Dass daraus dann eine richtige Hilfsorganisation wird, hätte ich nie gedacht. Aber irgendwie hat es sich immer weiter entwickelt.“

Inzwischen organisiert die vor ein paar Jahren zunächst als Kindermädchen nach New York gezogene Fotografin fast jeden Monat einen Butterbrot-Abend, an dem sie gemeinsam mit Helfern bis zu 1000 Sandwiches schmiert. Kirchen, Notunterkünfte und soziale Einrichtungen stellen die Räume zur Verfügung und helfen oftmals auch bei der Ausgabe der fertigen Brote. Auch an die Opfer von Sturm „Sandy“ haben Dinan und ihre Helfer schon Sandwiches verteilt. „In den am schlimmsten betroffenen Gegenden sieht es teilweise immer noch aus wie in der Dritten Welt.“

Die Einladungen zu den Treffen verschickt sie an mehr als 1.000 Freiwillige in einem eigens eingerichteten E-Mail-Verteiler. Ein Supermarkt und mehrere kleinere Läden spenden Lebensmittel, den Rest finanziert Dinan über Spenden und aus eigener Tasche. Mehrere hundert Dollar habe sie sicher schon investiert, sagt die zierliche blonde Frau. „Aber egal, dafür konnten wir in diesem Jahr 50.000 Menschen mit Essen versorgen, das ist doch unglaublich.“

Auch die Vereinten Nationen haben Dinans Anstrengungen schon honoriert: Gemeinsam mit der Sängerin Beyoncé und Vertretern anderer Hilfsorganisationen durfte sie im August anlässlich des „Tags der Freiwilligenarbeit“ auf der Bühne der UN-Vollversammlung stehen und ihr Projekt vorstellen. „Als die Anfrage per E-Mail kam, dachte ich zunächst, das wäre Spam“, sagt Dinan und lacht. „Aber dann war es wirklich eine tolle Erfahrung.“

Dinan stecke einfach an mit ihrem Enthusiasmus, sagt die 39-jährige Zsa, die ihr gegenüber am Tisch steht und Käse auf die Toastscheiben legt. „Es bedeutet mir sehr viel, hier mitzuhelfen. So kann ich etwas Gutes tun - und gleichzeitig macht es auch noch Spaß. Und ich kann selbst Hand anlegen. Es ist keine anonyme Spende, wo ich nicht genau weiß, wo das Geld hingeht. Das Konzept ist so herrlich einfach.“ Nach genau so einem Hilfsprojekt habe er immer gesucht, sagt auch der 22-jährige Josh, der neben Zsa fertige Brote in Plastiktüten packt.

Irgendwann geht der Käse zur Neige, dann der Schinken. „Jetzt machen wir noch ein paar Brote nur mit Salat - besser als gar nichts“, sagt Dinan. Rund 700 Sandwiches wird sie nach diesem Vorweihnachts-Abend in großen Pappkartons zu einer nahe gelegenen Suppenküche tragen können. „Der Bedarf ist einfach riesengroß. Die Mitarbeiter erzählen mir, dass unsere Sandwiches immer schon nach zehn Minuten weg sind.“