Ex-RAF-Terroristin vor Gericht Neuer Fall im Klette-Prozess - Geldbote blickt in Waffe
Im Prozess gegen Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette geht es jetzt um einen Überfall in Hildesheim – bei dem kein Geld, aber eine Waffe verschwand. Woran sich Zeugen erinnern.

Verden/Hildesheim - Im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette haben Zeugen erstmals einen Überfall in Hildesheim geschildert. „Ich habe direkt in die Waffe gesehen“, erinnerte sich ein ehemaliger Geldbote beim Landgericht Verden. „Ich bin davon ausgegangen, dass es eine echte Waffe ist.“
Bewaffneter Überfall vor Muttertag
Bei der Tat im Mai 2016 sollen Klette und ihre untergetauchten Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub kein Geld, dafür aber die Waffe des Geldboten erbeutet haben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wartete Klette damals im Fluchtfahrzeug, während Garweg und Staub in das Kassenbüro eines Supermarkts eindrangen.
An dem Samstag, ein Tag vor Muttertag, sei ihm zunächst nichts Merkwürdiges aufgefallen, sagte der damalige Geldbote. Er sei wie immer vor dem Kassenbüro gestanden - in der linken Hand eine Tasche mit Wechselgeld, in der rechten Hand einen Koffer für Geldscheine. „Da hab ich an die Tür geklopft“, sagte der 44-Jährige. Als ihm Mitarbeiter des Supermarkts öffneten, sei er von zwei maskierten Männern von hinten in das Büro geschoben worden.
Detektiv versucht, Täter zu entwaffnen
In dem Büro aß gerade eine Kassiererin Kartoffelsalat und telefonierte mit ihrer Familie, ein Kaufhausdetektiv beobachtete Monitore. Die Angestellte des Supermarkts erinnert sich noch gut an den Moment. „Ich habe gesehen, wie der Geldbote in den Raum geschubst wurde und dann war da die Hand mit der Waffe“, sagte die Zeugin. Nach ihrer Erinnerung hatten die Täter eine Schusswaffe und einen Elektroschocker bei sich. „Sie haben sie von hinten auf uns gerichtet.“
Der Kaufhausdetektiv - ein Polizist im Ruhestand - erzählte, wie er einem der Täter noch die Pistole entreißen wollte. „Reflexartig habe ich danach gegriffen“, sagte der Zeuge vor Gericht. Doch dann habe er ein Zischen gehört und die Worte „Lass das!“ - und seine Pläne aufgegeben. „Die Waffe kam mir verdammt echt vor“, sagte der ehemalige Polizist.
Kein Schlüssel für den Tresor
Die Zeugen schilderten vor Gericht, wie die beiden Männern sich damals an dem Tresor zu schaffen machten - jedoch ohne Erfolg. Den Schlüssel habe ihre Vorgesetzte gehabt, die zu dem Zeitpunkt des Überfalls nicht im Raum war, sagte die Kassiererin.
Der Geldbote berichtete, dass sich die beiden Männer dann schnell aus dem Staub gemacht hätten. „Sie haben mir noch meine Dienstwaffe abgenommen und sind geflüchtet.“ Erst als die Täter verschwunden waren, bemerkte der Geldbote nach eigenen Angaben seine Anspannung. Er habe unter Adrenalin gestanden, sagte der 44-Jährige. „Ich hatte drei bis vier Minuten ein ziemlich starkes Zittern.“ Einen Monat lang sei er in psychologischer Behandlung gewesen.
Überfall hinterlässt Spuren
Der Geldbote und die Angestellte des Supermarkts erlitten laut Anklage eine posttraumatische Belastungsstörung und waren für einige Zeit krankgeschrieben. Der Vorfall belaste sie bis heute, berichtete die Kassiererin. Sie könne es beispielsweise nicht ab, wenn sich jemand von hinten nähere oder wenn sie gedrängt werde. „Ich gehe nicht mehr auf Konzerte oder begleite meinen Mann ins Stadion.“
Auch der Detektiv brauchte nach eigenen Angaben einige Tage, um den Überfall zu verarbeiten. Die Verhandlung nun wühle einiges wieder auf, sagte der Zeuge. „Man macht sich schon so seine Gedanken: Was hätte alles passieren können?“
Als er einige Zeit später die Fahndungsfotos der ehemaligen RAF-Terroristen Garweg und Staub sah, meinte er einen der beiden wiederzuerkennen. Die Partie rund um die Augen sei ähnlich, sagte der Kaufhausdetektiv. „Das könnte passen.“ Bei den Hildesheimer Tätern habe es sich auf jeden Fall um Profis gehandelt, die sich gut auskannten und routiniert handelten.
Gericht verhandelt fünften Raubüberfall
Der Vorgang in Hildesheim ist der fünfte Raubüberfall, der am Landgericht Verden verhandelt wird. Daniela Klette steht wegen 13 Raubüberfällen seit Ende März vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, gemeinsam mit Garweg und Staub Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen zu haben. Die Taten sollen sich zwischen 1999 und 2016 ereignet haben. Dabei soll das Trio mehr als 2,7 Millionen Euro für ihr Leben im Untergrund erbeutet haben.
Einsatzkräfte nahmen Klette im Februar 2024 in ihrer Wohnung in Berlin fest. Sie sitzt seitdem im Frauengefängnis in Vechta in Untersuchungshaft. Von ihren mutmaßlichen Komplizen fehlt weiter jede Spur.